[Rezension] Laura Imai Messina- Der verborgene Leben der Farben

 

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22€
384 Seiten
ISBN 3442762650
Reziexemplar

Worum geht's? 

Mitternachtsschwarz mit einem Hauch von Mond, Indigo, das nach Heidelbeere riecht, Pfirsichgelb kurz vor der Reife: Mio versteht es, alle Farben der Welt einzufangen und zu benennen. In dem Atelier, in dem ihre Familie Hochzeitskimonos mit alten, seit Generationen überlieferten Symbolen näht und bestickt, lernte sie von klein auf die Bedeutung der Details und entdeckte das verborgene Leben der Farben. Seitdem sind Farben ihr Alphabet, ihr geheimer Schlüssel zur Welt. Aoi hingegen begleitet Beerdigungszeremonien: Er bereitet diejenigen vor, die von dieser Welt gehen, und kümmert sich um jene, die bleiben. Er besitzt die seltene Sensibilität, sein Gegenüber auf den ersten Blick zu verstehen. Als sich Mios und Aois Wege kreuzen, spiegeln sie sich wie zwei Komplementärfarben. Sie scheinen perfekt füreinander, doch ihre Begegnung war kein Zufall.

Laura Imai Messina versteht es meisterhaft, die magische Kraft des Alltäglichen freizulegen. Und Japan, der Ort der Gegensätze, ist die ideale Projektionsfläche dieser Magie. So werden auf den Straßen von Tokio, der zukunftsgewandten Stadt, immer noch die alten Rituale einer tausendjährigen Kultur gelebt, wie die Übergangszeremonien von Hochzeit und Beerdigung. »Das verborgene Leben der Farben« ist ein großstädtisches Märchen, das die Macht hat uns zu verzaubern.(Quelle: Verlag)

Meine Meinung: 

Das verborgene Leben der Farben" ist ein unglaublich berührendes Buch, das mich von der ersten Seite an in seinen Bann gezogen hat. Laura Imai Messina gelingt es auf wunderbare Weise, die Macht und Schönheit der Farben in unserem Leben aufzuzeigen und dabei gleichzeitig eine fesselnde Geschichte zu erzählen.

Die Art und Weise, wie die Autorin die verschiedenen Farben mit den Emotionen und Gefühlen der Charaktere verwebt, ist einfach magisch. Jede Farbe hat ihre eigene Bedeutung und bringt eine ganz eigene Stimmung in die Geschichte. Ob es nun das tiefe Blau des Ozeans ist, das die Sehnsucht und die Verbundenheit der Protagonisten widerspiegelt, oder das leuchtende Rot der Sonne, das die Hoffnung und die Lebensfreude symbolisiert - jede Farbe hat ihre eigene Geschichte zu erzählen.

Besonders beeindruckend fand ich auch die Art und Weise, wie Laura Imai Messina die historischen Ereignisse in die Handlung einfließen lässt. Die Geschichte spielt im Japan der Nachkriegszeit und behandelt Themen wie Trauer, Verlust und die Suche nach einem Neuanfang. Durch die Verknüpfung von persönlichen Schicksalen und gesellschaftlichen Umbrüchen gelingt es der Autorin, eine packende und tiefgründige Geschichte zu erzählen, die noch lange nachhallt.

Auch die Figuren in diesem Buch sind einfach fantastisch. Ihre Entwicklung im Laufe der Handlung ist mitreißend und einfühlsam geschildert. Man fiebert und leidet mit ihnen mit und kann sich voll und ganz in ihre Gedanken und Gefühle hineinversetzen.

Insgesamt hat mich "Das verborgene Leben der Farben" tief berührt und nachdenklich gestimmt. Es ist ein Buch, das mich noch lange begleiten wird und das ich jedem, der sich für emotionale und tiefgründige Geschichten interessiert, wärmstens ans Herz legen möchte. Ein wahres Meisterwerk, das man gelesen haben muss!


Meine Bewertung: 💙💙💙💙🤍

[Rezension] Thomas Olde Heuvelt- November

  

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18 €
640 Seiten
ISBN 3453321448
Reziexemplar
Worum geht's? 

In Lock Haven, einer beschaulichen kleinen Stadt in Washington State, gibt es eine ganz besondere Straße. Die Bird Street. Wer in der Bird Street wohnt, ist erfolgreich, wohlhabend, gesund und glücklich. Die Kinder allesamt ausgeglichen, wohlerzogen und klug. Zumindest für elf Monate im Jahr. Im November jedoch brechen die dunklen Tage an. Pech, Misserfolg und Krankheit halten Einzug. Im November kommt der Fremde in die Bird Street, um bei den Bewohnern die Schulden einzutreiben. Im November ist die Zeit gekommen, den Preis für all das Glück zu zahlen. Denn es kehrt erst zurück, wenn ein Menschenleben geopfert wird ... (Quelle: Verlag)


Meine Meinung: 

'November' ist nicht das erste Buch des Romanautoren Thomas Olde Heuvelt. 'Hex' war seinerzeit das Erste, und es konnte mich, trotz einiger Schwächen, doch ziemlich begeistern. Der Eindruck war auf jeden Fall nachhaltig gut genug, um auf den neuen Roman des niederländischen Autors zu warten und ihm sogleich eine Chance zu geben. 
Fangen wir mit dem Groben an. Wieder nimmt sich Heuvelt eine begrenzte Gemeinschaft von Menschen vor- war es in 'Hex' noch eine Kleinstadt, beschränkt er sich hier auf eine einzige Straße. Eine Straße voller Nachbarn, aber mit übersichtlicher Personenzahl. Die ersten Seiten hindurch hatte ich tatsächlich Angst, dass es durch die (so dachte ich) vielen Erzählperspektiven zu verschlungen und verwirrend werden könnte. Zu meiner Erleichterung stellte ich aber fest, dass er sich doch auf eine Familie beschränkt und das Geschehen nur aus ihrer Sichtweise heraus erzählt. Somit waren meine ersten Befürchtungen schon einmal zerstreut. 
In der Bird Street leben ausschließlich Menschen, von denen man sagen könnte, sie haben es geschafft. Sie sind erfolgreich, sie haben Geld, sie leben ihre Träume. Alles Friede Freude Eierkuchen. Aber dann, jedes Jahr im November, kippt das Ganze. Kinder werden aggressiv und stürzen in psychiatrische Episoden, Erwachsene werden krank und streiten, alles scheint den Bach herunter zu gehen- ausser, es wird ein Menschenleben geopfert. 
Nun gut. Die Bewohner der Bird Street finden viele Jahrzehnte, das sei ein angemessener Preis. Bis im Jahr des Romans etwas furchtbares geschieht- und damit alles von der Klippe zu stürzen droht. 
Generell würde ich schon sagen, es gibt durchaus Horrorelemente in dem Roman. Ich fand ein paar Elemente vom 'Friedhof der Kuscheltiere' sowie von 'Rosemarys Baby'. Es gelingt dem Autor schon, hier eine düstere, lauernde Atmosphäre aufzubauen. Es gab sogar einen Abend, an dem ich nicht einschlafen konnte und mich im Dunkeln fürchtete, weil ich das Buch noch so im Kopf hatte. Auch die Spannung nimmt mit den Seiten immer mehr zu, bis sie schließlich im Finale explodiert. Obgleich ist einiges von der Auflösung schon erahnte und mir manches zu offen bliebt, war es doch ein sehr gelungenes Leseerlebnis, das ich weiterempfehlen würde. Negativ fielen mir durchaus ein paar Längen auf, 50-100 Seiten weniger hätten dem Buch nicht geschadet. Es war nun aber auch nicht so schlimm, dass ich es entnervt hätte weglegen wollen. Wie auch schon in 'Hex' gelingt es Heuvelt hier erneut sehr gut, menschliche Abgründe der 'Menschen von Nebenan' darzustellen. Dieses Buch hinterlässt die Frage: Wie gut kennen wir unsere Nachbarn eigentlich wirklich? Und was wären sie bereit, für ihr eigenes Glück zu tun? 

Meine Bewertung: 

💙💙💙💙🤍

[Rezension] Nina Blazon- Ich träumte von einer Bestie


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22€
448 Seiten
ISBN 3365003002
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Worum geht's? 


Fleurs Leben ist das Internet. Dieser Ort bietet der Datenforensikerin im Gegensatz zur realen Welt Geborgenheit. Als Fleur die Wohnung ihrer verhassten französischen Großmutter erbt, wird sie mit ihrer ungeklärten Familiengeschichte konfrontiert. Auf den Spuren ihrer Ahnen reist Fleur nach Frankreich in die Auvergne. Dort stößt sie auf ein dunkles Geheimnis, das bis in die Zeit der Aufklärung zurückreicht. Dabei blickt sie auch einer Bestie ins Gesicht, die das Schicksal ihrer Familie seit Generationen überschattet. Nach dieser Begegnung wird Fleur für immer eine andere sein.

Nina Blazon führt uns nach Frankreich und hin zu einer bekannten Legende: die Bestie des Gévaudan. (Quelle: Verlag)

Meine Meinung: 

Wenn es eines im literarischen Sektor gibt dem ich nicht widerstehen kann, dann sind es Adaptionen von Märchen und Legenden. Für Erwachsene, möchte ich betonen, also auch gerne düster und tiefgehend. In der Vergangenheit habe ich bereits einige sehr gute Beispiele davon kennen gelernt, wie beispielsweise die Bücher von Daniela Winterfeld, Christina Henry oder Madeline Miller. Ich liebe es mich so richtig in diese Geschichten fallen zu lassen, mich hinwegzuträumen. Meistens haben sie mystische Anklänge oder gehen in den Bereich der Fantasy, einfach der Tatsache geschuldet dass auch Märchen und Legenden meistens einen nicht zu vernachlässigenden übersinnlichen Einschlag haben. 
Das war es also, womit ich auch bei diesem Roman zuerst gerechnet hatte. Dies kann ich auf jeden Fall schon einmal entkräften: Der Roman gehört für mich keinesfalls in das Genre der Fantasy. Obgleich die Autorin sich einige Dinge ausgedacht hat die so nicht existieren, wie sie im Nachwort erklärt, bleiben diese fiktionalen Fakten doch immer ausgerichtet an real existierenden Gegebenheiten. Ich muss zugeben, ganz zu Anfang mochte ich die Protagonistin Fleur nicht leiden. Sie war spröde, bärbeißig und verschlossen und ich bekam keinen rechten Zugang zu ihr. Überhaupt waren die ersten Seiten des Romans für mich eher holprig, wirkten typisch betulich deutsch, wenn auch sprachlich von Beginn an sehr schön zu lesen. 
Aber dann, so nach 50 Seiten, packte es mich. Als im Laufe des Romans auch immer mehr von Fleurs Hintergrund offenbar wurde, machte ich meinen Frieden mit ihrer Art, die im Nachhinein für mich nachvollziehbar wurde und ziemlich gut dazu passte. Ebenso die Art ihrer Familie, bei denen mir zu Anfang nur Bruder und Stiefvater sympathisch waren. Was die äußere Form angeht, so hatte ich einen Roman erwartet wie ich ihn bei solchen Themen kenne: Auf zwei Zeitebenen erzählt. Unter uns, das empfinde ich langsam als wirklich zu Tode geritten, es entlockt mir nur noch ein Schnarchen. Ich hüpfte innerlich vor Freude als ich erkannte, dass die Autorin hier komplett darauf verzichtet- obgleich wir uns natürlich mit der Vergangenheit beschäftigen, uns der Legende von Gévaudan immer weiter annähern, ist die Handlung doch die ganze Zeit in der Gegenwart angesiedelt, was mir SEHR gut gefiel. Und überraschenderweise gelingt es Nina Blazon trotzdem, die Vergangenheit lebendig werden zu lassen. 
Wer wirklich mal ein bißchen Frankreich fühlen will, ist hier gut aufgehoben. Immer wieder werden französische Ortschaften beschrieben, Charaktere erschlossen und die französische Sprache eingestreut. Aber immer wirkte es organisch, nie bemüht oder überhöht, und: Es liest sich, als würde die Autorin die Landschaft des Gévaudan genau kennen. Ich weiß nicht, ob sie dorthin gereist ist, aber ich könnte es mir gut vorstellen, so plastisch ist die Beschreibung, und, wichtig für mich: Der Flair. In dieser Hinsicht war der Roman wie ein Kurzurlaub für mich. Die Handlung selbst entfaltet sich wie eine hübsche Blume, wie es auch Fleur tut, die im Laufe der Geschichte immer mehr über sich selbst herausfindet und ihre eigentlichen Wurzeln erkennt. 
Wenn ich herausstellen müsste was mir in einem Roman am allerwichtigsten ist, so wäre das die Charakterentwicklung. Nichts fesselt mich so sehr wie Charaktere die einen Weg gehen und dabei glaubhaft begleitet werden. Das war es, was ich hier fand: Glaubhafte Charaktere, nachvollziehbare Motive, Entwicklung. 
Für mich war dieser Roman ein absolutes Highlight, ja, das muss ich wirklich sagen. Nachdem ich die ersten paar Seiten hinter mir hatte ließ er mich nicht mehr los, bis ich ihn zuschlug. Ich könnte mir sogar vorstellen ihn nochmal zu lesen, was ich sonst nie tue. Ich spreche eine unbedingte Leseempfehlung aus und vergebe die Maximalpunktzahl. Und natürlich werde ich die Autorin weiter im Auge behalten und hoffe innigst, dass es bald wieder etwas von ihr zu lesen geben wird, das so ein Feuerwerk in meinem Kopf entfacht. 

Meine Bewertung: 💙💙💙💙💙

[Rezension] Stephen King- Holly

 

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28€
640 Seiten
ISBN 3453274334
Reziexemplar
Worum geht's? 

Privatermittlerin Holly Gibney steckt in einer Lebenskrise, da erhält sie einen Anruf: »Meine Tochter Bonnie ist vor drei Wochen verschwunden, und die Polizei unternimmt nichts.« Ihre Nachforschungen führen Holly zu einer weit zurückreichenden Liste ungelöster Vermisstenfälle. Alle spielen im Umfeld eines inzwischen emeritierten Ernährungswissenschaftlers mit dem Spitznamen »Mr. Meat«. Holly hat schon gegen grausame Gegner bestanden, aber hier begegnet sie dem schlimmsten aller Ungeheuer: dem Menschen in seinem Wahn.

Meine Meinung: 

Ich kriege gleich sicher Haue- aber ich habe nicht alle King Romane gelesen. Ganz besonders von den alten Machwerken kenne ich kaum welche. Was ich sagen kann ist, dass ich vom Autor lieber die psychologischen als die übersinnlichen Romane lese. Ich bin aber auch niemand der ein Werk neben andere Werke des Autors stellt und die Beurteilung auf dieser Basis trifft. Nein, ich beurteile einen Roman stets als Einzelwerk (Reihen ausgenommen). Schon als ich den Klappentext las, hatte ich eine Vermutung wo es hingehen würde, und dies bestätigte sich. Die Protagonistin, Holly, gefiel mir. Sie war ein bißchen hypochondrisch veranlagt, etwas übervorsichtig, etwas neurotisch... aber sie blieb sympathisch. Und auf der anderen Seite haben wir ein Täterehepaar, das gleich mehrere Tabus bricht. Mal ehrlich, wir neigen dazu bestimmten Personengruppen keine Schlechtigkeiten oder gar Grausamkeiten zuzutrauen. Dazu zählen Alte und Kinder. King spielt hier bewusst mit diesem Grauen, mit unseren Vorurteilen. Ein solcher Bruch schockiert natürlich noch viel mehr, als wenn wir mit Tätergruppen konfrontiert werden mit denen wir rechnen. Das gefiel mir sehr gut, und besonders mochte ich dass sich hier solche Mühe gegeben wurde, alle Personen mit Motiven und glaubhaften Charaktereigenschaften auszustatten. Dabei lässt sich der Roman Zeit und spielt beständig subtil mit der Furcht und der Ungewissheit. Ein paar nette Horrorelemente sind auch dabei, die mich schlucken ließen. Interessant fand ich die teilweise ironische Art der Darstellung des Horrors, was sehr gut zu den Tätern passte. 
Und, gibt es auch Schwächen? Ja, doch. Mit sind zwei Dinge aufgefallen, die ich verbesserungswürdig fand. Zum Einen war mir das Ende ein wenig zu hopplahopp... es passte nicht zu der eher ruhigen Erzählart des restlichen Buches und geriet ein wenig unrund. Da hätte ich mir eine Lösung gewünscht die der detailverliebten Erzählart besser zu Gesicht gestanden hätte. Und zum Zweiten hatte Corona einen ziemlich prominenten Auftritt in diesem Roman. Impfstatus sämtlicher Personen, auf jeder Seite erwähnte Masken... mir war's zuviel. Eigentlich lese ich Belletristik, um mal eine Verschaufpause vom Weltgeschehen zu bekommen. In dieser Penetranz fand ich die Thematik doch am Ziel vorbei, ebenso wie die immer wieder eingestreuten politischen Statements (Anti- Trump, ja, ich hab's kapiert...). 
Letzten Endes habe ich mich aber trotzdem gut unterhalten gefühlt. Ich wurde von der Handlung wirklich bei der Stange gehalten und die Spannung sorgte dafür, dass ich nur so durch die Seiten flog. Ein paar kleine Schwächen, durchaus... aber nichts, was jetzt ernsthaft mein Lesevergnügen geschmälert hätte. 


Meine Bewertung: 💙💙💙💙🤍


[Rezension] Gianna Molinari- Hinter der Hecke die Welt

 

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24€
208 Seiten
ISBN 335104173X
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Worum geht's? 

Ein Dorf hat Angst vor dem Verschwinden. Deshalb trifft es Maßnahmen: Die bei den Touristinnen und Touristen beliebte Hecke wird gehegt und gepflegt, der Stand der Dorfkasse wird regelmäßig überprüft. Vor allem aber kümmert man sich um Pina und Lobo, denn die Kinder sind die Zukunft des Dorfes. Doch Pina und Lobo wachsen schon lange nicht mehr. Während das Dorf auf die Wachstumsschübe der Kinder wartet, beobachtet Pinas Mutter in der Arktis, wie das Eis schmilzt und Grenzen sich verschieben.
Nach ihrem gefeierten Debüt legt Gianna Molinari erneut ein eindrucksvolles Porträt über die wechselseitige Durchdringung von Natur und Kultur vor, einen Roman, der unsere Vorstellungen von Wachstum und Stillstand hinterfragt und dabei ebenso viel poetische wie politische Kraft entfaltet. 

Meine Meinung:

Seit Dörte Hansens 'Mittagsstunde' bin ich bekennender Dorfgeschichten- Fan. Der Mikrokosmos Dorf stellt für mich eine reizvolle Quelle faszinierender Geschichten dar. 
Das Dorf, in dem Pina und Lobo, die einzigen Kinder, leben, bildet den einen Erzählstrang. Der andere spielt in der Arktis, wo Pinas Mutter auf einer Expeditionsreise unterwegs ist. Im Grunde dreht sich das Buch auf zwei unterschiedlichen Ebenen um das Verschwinden- beleuchtet aus verschiedenen Perspektiven. Dora, Pinas Mutter, sieht in der Arktis die Auswirkungen des Klimawandels, die den meisten Menschen (noch) verborgen bleiben. Ein fragiles Ökosystem, in dem die Einmischung des Menschen stets ein Balanceakt bleibt. Wie hier mithilfe kleiner Anekdoten auf Missstände hingewiesen wurde, gefiel mir gut. Zwischendurch gibt es kleine eindrucksvolle Zeichnungen und Bilder, die diese verdeutlichen. Pina, mit ihrem Vater im Dorf verbleibend, sieht das Verschwinden der Dorfwelt. Keine weiteren Kinder oder Erben mehr, die über alles geliebte Hecke des Dorfes fällt einem Verbrechen anheim, Touristen werden sparsamer und bleiben schließlich ganz aus, Menschen gehen weg. 

Generell, so finde ich, ein spannender Roman, der gekonnt die beiden Ebenen miteinander verflechtet und im Kleinen wie im Großen zeigt, wohin wir steuern. Das Dorf als Parabel für menschliche Gesellschaften, das große Verschwinden der Dorfkultur und von Lebenswelten. Also, soweit eigentlich etwas, das mir gefiel. 

Was mir aber wirklich sauer aufstieß, ist der Preis des Buches. Für 208 Seiten, die so bedruckt sind dass oft nur einseitig Text ist und so einige Seiten aufgrund kleiner Zeichnungen halbleer, finde ich 24€ schon sehr knackig. Hätte ich das Buch nicht als Rezensionsexemplar bekommen, ich hätte es mir nicht gekauft. Hier empfehle ich dringend, auf die Taschenbuchausgabe zu warten. Die ist es dann aber auch wert. 

Meine Bewertung: 💙💙💙💙🤍



[Rezension] Octavia E. Butler- Die Parabel vom Sämann

 

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15€
448 Seiten
ISBN 3453534921
Rezensionsexemplar
Worum geht's? 

Wir schreiben das Jahr 2024. Klimawandel, Wirtschaftskrisen und ein politischer Rechtsruck haben das Leben in den USA von Grund auf verändert. Lauren Olamina lebt mit ihrer Familie in Kalifornien, relativ sicher vor Plünderern hinter hohen Mauern. Wer überleben will, muss Stärke zeigen, deswegen hütet Lauren ihr Geheimnis sorgfältig: Sie leidet an Hyperempathie – sie empfindet die Emotionen eines anderen Menschen so tief, als wären es ihre eigenen. Doch wenn sie will, dass ihre Stimme gehört wird, darf sie sich nicht länger hinter den Mauern verstecken. Also macht sich Lauren auf die Reise nach Norden, wo es noch Sicherheit und Jobs gibt. Was als Kampf ums Überleben beginnt, wird schnell zu sehr viel mehr: Der Geburt einer neuen Religion – und einer atemberaubenden Vision für die Zukunft der Menschheit.

Meine Meinung: 


Dies war mein erster Roman von Octavia E. Butler- der Name war mir bisher komplett unbekannt, vielleicht auch, weil ich nicht die typische Sciene-Fiction Leserin bin. Ich stelle mir unter Science Fiction immer die typische Story in Weltraumstädten und fremden Planeten vor- wurde mit diesem Roman aber daran erinnert, dass dieses Bild nicht immer stimmt- auch Utopien oder (in diesem Fall) Dystopien können zu diesem Genre gehören. 
Ja, wir sehen hier eine recht düstere Dystopie. Und es ist, wie ich finde, ziemlich beeindruckend, welche Sicht auf die Zukunft eine Autorin hatte, die bereits 2006 verstarb. Das Bild, das sie zeichnet, ist heute gar nicht mehr zu unwahrscheinlich. Eine Welt, viel zu warm und trocken, in der die Menschen auf der Suche nach Arbeit und Wasser gen Norden ziehen, da der Süden zunehmend unbewohnbar wird. Generell kein schönes Szenario, niemand vertraut anderen, es gilt das Recht des Stärkeren und Mitgefühl und Freude ist nur noch selten zu finden. In dieser Welt lebt nun Lauren, die die Gefühle anderer Menschen spürt als wären es ihre eigenen. In einer Welt voller Hass und Not eine zweifelhafte Ehre. Eines Tages ist sie gezwungen, ihr Zuhause zu verlassen- und nutzt dies als Start in ein neues Leben. Auf ihrer Wanderschaft begleitete ich sie auf jedem Schritt, teilte ihre Gedanken und lernte mit ihr Menschen kennen, die sich ihr anschlossen. Lauren ist eine unglaublich gut ausgestaltete Heldin, die sich (wohl aufgrund ihrer Gabe) eine gewisse Ethik und ein gutes Herz bewahrt hat. Der Roman hat mich emotional auf ganz vielen verschiedenen Ebenen erreicht, ich durchlebte das gesamte Gefühlsspektrum beim Lesen. Eine starke, weibliche Heldin, die aber nicht übertrieben wirkt sondern ein Mensch mit realistischen Träumen, Motiven und auch Schwächen ist. Die Gruppe von Menschen um sie herum, die sich durch sehr unterschiedliche Individuen auszeichnet, die alle ihre Eigenheiten mitbringen und meisterhaft gestaltet sind. Ich hatte zum Schluss das Gefühl, diese Menschen wirklich zu kennen. Lauren trägt in dieser düsteren Umgebung ein Licht vor sich her und reißt die Menschen mit. 
Wer Gewaltschilderungen nicht lesen kann oder Beschreibungen von Elend, wird mit diesem Roman nicht glücklich werden, denn die Autorin nimmt kein Blatt vor den Mund. Mord an Kindern kommt genauso vor wie Kannibalismus. Wer dies aber in die Geschichte eingebettet in Ordnung findet, der findet hier ein echtes Meisterwerk. Ich habe lange nicht mehr etwas zu packendes gelesen und werde mir in jedem Fall die Fortsetzung ebenfalls vornehmen, wenn sie nächstes Jahr herauskommt. Volle Punktzahl. 

Meine Bewertung:  💙💙💙💙💙





[Rezension] Ursula Poznanski- Oracle


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22€
432 Seiten
ISBN 3743216582
Reziexemplar
 Worum geht's? 


Ich sehe was, was du nicht siehst, und das wird wahr
Als Kind hat Julian merkwürdige Visionen. Das sind nur Fehlschaltungen im Hirn, sagt seine Therapeutin, bedeutungslose Trugbilder. Und mit den richtigen Medikamenten sind die auch verschwunden. Jahre später wird Julian mit einer schockierenden Erkenntnis konfrontiert. Einige seiner Visionen scheinen wahr geworden zu sein. Sieht er Schatten, die die Zukunft vorauswirft? Könnte er also schlimme Ereignisse verhindern? Oder tritt er damit noch größere Katastrophen los?

Meine Meinung: 

Ich bin ja ein Poznanski Fan der ersten Stunde, kenne alle ihre Jugendromane und habe jeden einzelnen davon geliebt (die Einen noch ein wenig mehr als die Anderen...). Was ich generell an ihren (Jugend-) Romanen mag ist ihre frische, spannende Art zu Schreiben und aktuelle und stets interessante Themen aufzugreifen. In ihrem neuesten Werk geht es den psychischen Erkrankungen an den Kragen. Der Protagonist, Julian, sieht sogenannte Marker an Menschen. Seine Umwelt vermittelt ihm, dass es sich dabei um eine psychische Störung handelt, während sich die Hinweise verdichten, dass es dies nicht ist, sondern Julian tatsächlich einem Orakel gleich in die Zukunft schauen kann. 
An sich also eine spannende Plotidee, die durchaus etwas für sich hat. Der Schreibstil ist absolut flüssig und angenehm wie wir es kennen, hier habe ich nichts zu meckern. 
Im Großen und Ganzen ist die Handlung vorhersehbar, und das ist auch völlig in Ordnung. Langsamer Aufbau der sich auf einen Showdown zubewegt, der schließlich alles auflöst. Soweit so gut. Was mich bei diesem Roman leider störte, war die Ausgestaltung der Charaktere. Wir reden hier von Studierenden, das heißt volljährigen Menschen die allein leben. Julian erschien mir doch sehr unreif und impulsiv, und besonders im Mittelteil musste ich mehrfach ins Buch beißen weil ich mir dachte: So benimmt sich doch keiner. Lichtblicke waren in jedem Fall Julians schillernder bester Freund Robin (ein Beweis dafür, wie organisch man queere Personen in Romanen einfügen kann) und der Love Interest Pia sowie ihr Hund Kinski. Wohingegen ich Charaktere wie Lars, den Antagonisten, absolut überzeichnet fand. Und der Konflikt zu ihm wird auch nicht aufgelöst am Ende des Buches. Ebenso waren für mich die Therapeutin Sonja und ihr Mann Armin in keinster Weise überzeugend, letzterer wirkte wie ein Teufel ex machina, der aus dem Hut gezaubert wurde aber später keine Rolle mehr spielte. Sonja selbst empfand ich als unglaubwürdig und oberlehrerhaft. Nochmal: Julian ist 18. Mir war hier ein bißchen zu sehr dominanter Zeigefinger zwischen den Seiten, die anderen Romane der Autorin habe ich nicht so wertend in Erinnerung. Unterm Strich war es für mich trotzdem ein spannendes Leseerlebnis, wenn auch nicht Poznanskis bestes Werk. Die deutlichen Schwächen in der Charakterkonstruktion haben mich durchaus gestört, es bleibt für mich daher ein schöner flüssiger Schmöker für einen verregneten Nachmittag. 

Meine Bewertung: 💙💙💙💙🤍