[Rezension] Neal Stephenson- Termination Shock

 

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32€
1008 Seiten
ISBN 3442316812
Reziexemplar

Worum geht's? 

In einer Welt der nahen Zukunft hat der Treibhauseffekt zu einer wirbelnden Troposphäre mit Superstürmen, Überschwemmungen und gnadenloser Hitze geführt. Der globale Kollaps scheint unausweichlich, der Anstieg des Meeresspiegels ist nicht mehr aufzuhalten. Doch dann stellt ein texanischer Milliardär die Mittel für ein spektakuläres Projekt bereit, das die globale Erwärmung stoppen könnte. Aber wird es funktionieren? Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt, der über das Schicksal der gesamten Menschheit entscheiden wird. Ein mitreißender, apokalyptischer Roman, erzählt von einem der visionärsten Autoren unserer Zeit. (Quelle: Verlag)


Meine Meinung: 

Neal Stephenson, bekannt für seine visionären und oft genre-übergreifenden Werke, liefert mit "Termination Shock" einen weiteren packenden Roman, der sich mit hochaktuellen Themen wie Klimawandel und Geoengineering auseinandersetzt. In seiner typischen Art verbindet Stephenson wissenschaftliche Fakten mit spekulativer Fiktion und schafft so eine spannende und zugleich nachdenklich stimmende Erzählung. "Termination Shock" spielt in einer nahen Zukunft, in der die Auswirkungen des Klimawandels zunehmend spürbar werden. Die Handlung beginnt mit einem dramatischen Ereignis: Der texanische Milliardär T.R. Schmidt organisiert eine geheime Konferenz, um seine Lösung für das globale Problem des Klimawandels vorzustellen. Er plant, Schwefeldioxid in die Atmosphäre zu injizieren, um die Sonne zu dimmen und die Erde zu kühlen – ein kontroverses Geoengineering-Projekt.

Stephenson führt eine Vielzahl von Charakteren ein, die aus verschiedenen Teilen der Welt und unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten stammen. Dazu gehören ein niederländischer König, ein kanadischer Wildhüter, eine indische Politikerin und viele andere, deren Wege sich im Laufe der Geschichte kreuzen. Diese multiperspektivische Erzählweise ermöglicht es Stephenson, die globalen Auswirkungen und ethischen Dilemmata des Geoengineering umfassend zu beleuchten. Neal Stephensons Stil ist prägnant und detailliert, wobei er komplexe wissenschaftliche Konzepte verständlich und spannend darstellt. Seine Beschreibungen sind oft sehr bildhaft, was dem Leser hilft, sich die zukünftige Welt vorzustellen, die er skizziert. Gleichzeitig bleibt seine Sprache zugänglich und flüssig, was das Lesen trotz der wissenschaftlichen Tiefe angenehm macht. Der Roman behandelt zentrale Themen wie Klimawandel, technologische Innovation und die damit verbundenen ethischen Fragen. Stephenson zeigt die Dringlichkeit der Klimakrise und stellt die Frage, wie weit die Menschheit bereit ist zu gehen, um den Planeten zu retten. Er untersucht die Risiken und möglichen Nebenwirkungen von Geoengineering und thematisiert die politischen und sozialen Implikationen solcher Eingriffe.

Ein wiederkehrendes Motiv ist die Idee der Kontrolle – die Kontrolle über die Natur, das Klima und letztlich das eigene Schicksal. Stephenson zeigt die Ambivalenz menschlicher Eingriffe in die Natur und warnt vor den unvorhersehbaren Konsequenzen, die selbst gut gemeinte Maßnahmen haben können."Termination Shock" von Neal Stephenson ist ein fesselnder Roman, der durch seine Mischung aus wissenschaftlicher Präzision und spekulativer Fiktion besticht. Stephenson gelingt es, ein hochrelevantes Thema auf spannende Weise zu behandeln und dabei sowohl zu unterhalten als auch zum Nachdenken anzuregen. Seine Charaktere sind vielschichtig und glaubwürdig, und die Handlung ist trotz der Komplexität der Thematik packend und gut nachvollziehbar.

Wer sich für zukunftsorientierte Literatur interessiert und bereit ist, sich mit den großen Fragen unserer Zeit auseinanderzusetzen, sollte "Termination Shock" unbedingt lesen. Es ist ein Werk, das nicht nur unterhält, sondern auch zum Nachdenken über die Verantwortung der Menschheit für die Zukunft des Planeten anregt – ein wichtiger und beeindruckender Beitrag zur zeitgenössischen Science-Fiction.





Meine Bewertung: 💙💙💙💙🤍

[Rezension] Ulrike Draesner- Die Verwandelten

 

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26€
608 Seiten
ISBN 3328601724
Reziexemplar

Worum geht's? 


Eine nationalsozialistische Vorzeigemutter, die anderen beibringt, wie Kinder zu erziehen sind, doch über das Wichtigste, was sie verloren hat, niemals spricht. Eine Köchin, die lieber Frauen geliebt hätte als den Dienstherrn, unterwegs durch das zerstörte Deutschland im Sommer 1945. Ein Mädchen in München Solln, geboren in einem Lebensbornheim der SS. Eine alleinerziehende Anwältin von heute, die nach dem Tod ihrer Mutter unverhofft eine Wohnung in Wrocław erbt – und einen polnischen Zweig der Familie entdeckt. Alle Figuren verbindet ein Jahrhundert von Krieg und Nachkrieg, Flucht und Vertreibung, von Gewalt. Was bedeutet es, in einem Staat zu leben, der Menschenzucht betreibt? Und wie darüber schreiben, was den Frauen im Krieg geschieht? Was ihnen die Sprache nimmt. Was sie für immer verwandelt. Und wie über die unsichtbare Kraft, die verhindert, dass sie daran zerbrechen?
Ulrike Draesner gibt den Verwandelten ihre Stimmen zurück. Sie erfinden sich neu, wechseln Sprache und Land, überraschen sich selbst mit ihrem Mut, ihrem Humor, ihrer Kraft. Die Bedeutung von Familie verändert sich, Freiräume entstehen. Ein erschütternder Roman, bewegend, aufwühlend, zärtlich, klug.
Schaut: die Liebe der Töchter zu ihren Müttern, der Mütter zu ihren Töchtern. Schaut, wie sie blitzt durch ein dunkles Tuch.

Meine Meinung: 

Die Handlung konzentriert sich auf die Geschichte einer Familie, die durch die Wirren des Krieges auseinandergerissen wird. Besonders im Fokus steht die junge Elisabeth, die nach einem Angriff auf ihr Heimatdorf in Oberschlesien fliehen muss. Ihre Odyssee und die Begegnungen mit anderen Vertriebenen zeigen eindrucksvoll die Brutalität und das Chaos dieser Zeit, aber auch die Widerstandskraft und den Überlebenswillen der Menschen.
Draesners Sprache ist poetisch und zugleich präzise. Sie schafft es, mit wenigen Worten kraftvolle Bilder zu erzeugen und die emotionale Tiefe ihrer Charaktere spürbar zu machen. Ihr Stil ist geprägt von einer dichten, atmosphärischen Erzählweise, die den Leser unmittelbar in die Welt der Figuren hineinzieht. Besonders beeindruckend ist, wie sie historische Fakten und persönliche Geschichten miteinander verwebt, ohne dass dabei der literarische Anspruch verloren geht.
Ein zentrales Motiv des Romans ist die Verwandlung – sei es im physischen Sinne durch Flucht und Vertreibung oder im metaphorischen Sinne durch die innere Entwicklung der Figuren. Draesner thematisiert die Frage nach Identität und Heimat, nach Verlust und Neubeginn. Sie zeigt, wie Krieg und Gewalt Menschen verändern, sie aber auch zu neuen Erkenntnissen und Stärken führen können.
Ein weiteres wichtiges Thema ist die Rolle der Frauen in Kriegszeiten. Draesner porträtiert ihre weiblichen Protagonisten als starke, eigenständige Persönlichkeiten, die trotz aller Widrigkeiten ihren Weg gehen. Dies verleiht dem Roman eine zusätzliche Dimension und hebt ihn von anderen historischen Romanen ab.
"Die Verwandelten" von Ulrike Draesner ist ein beeindruckender Roman, der durch seine literarische Qualität und die Tiefe seiner Themen besticht. Draesner gelingt es, die Schrecken des Krieges und die Kraft des menschlichen Geistes in einer poetischen und zugleich eindringlichen Sprache darzustellen. Ihre fein gezeichneten Charaktere und die kunstvolle Verknüpfung von Geschichte und persönlichem Schicksal machen das Buch zu einem Leseerlebnis, das lange im Gedächtnis bleibt.
Wer sich für anspruchsvolle Literatur interessiert und bereit ist, sich auf eine emotionale und intellektuelle Reise zu begeben, sollte "Die Verwandelten" unbedingt lesen. Es ist ein Werk, das sowohl berührt als auch zum Nachdenken anregt – ein wahrer Schatz in der zeitgenössischen deutschen Literatur.
Ulrike Draesner, eine der bedeutendsten zeitgenössischen deutschen Autorinnen, präsentiert mit "Die Verwandelten" einen Roman, der sowohl literarisch anspruchsvoll als auch tief berührend ist. In ihrem Werk verschmelzen historische Fakten, mythologische Bezüge und menschliche Schicksale zu einem eindrucksvollen Gesamtbild, das lange nachhallt. "Die Verwandelten" spielt in der Zeit des Zweiten Weltkriegs und folgt den Lebenswegen mehrerer Protagonisten, deren Schicksale auf vielfältige Weise miteinander verknüpft sind. Draesner beleuchtet die Grausamkeiten des Krieges und deren Auswirkungen auf das individuelle und kollektive Bewusstsein der Menschen. Dabei wechselt sie meisterhaft zwischen verschiedenen Zeitebenen und Perspektiven, was dem Roman eine besondere Tiefe und Komplexität verleiht.





Meine Bewertung: 💙💙💙💙🤍

[Rezension] Bonnie Leben- Eine Bonnie kommt niemals allein

 

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16€
256 Seiten
ISBN 3453606957
Reziexemplar

Worum geht's? 


Mit 18 erhielt sie eine Erklärung für die Gedächtnislücken und Blackouts, für die Schwere in ihrem Leben, die endlich Licht ins Dunkel brachte: Bonnie hat eine Dissoziative Identitätsstörung, früher auch multiple Persönlichkeitsstörung genannt. Sie weiß seitdem: Sie ist Viele. Viele unterschiedliche Personen leben in ihrem Körper: eine komplexe Reaktion auf schwere Kindheits-Traumata, zugleich ein wichtiger Überlebensmechanismus und eine große Last. Wie lebt man sein Leben, wenn man sich den Körper und die Lebenszeit mit anderen teilen muss? Was für Probleme und Strategien ergeben sich im Alltag und wie geht man damit um? Die Geschichte der Bonnies zeigt ihre Stärke und Resilienz, beantwortet zahlreiche Fragen zu einer faszinierenden Lebensrealität und informiert fundiert über eine Diagnose, die für viele nur in vagen Umrissen existiert.(Quelle: Verlag)

Meine Meinung: 


Die dissoziative Identitätsstörung (kurz DIS) zählt schon lange zu meinen Interessengebieten. Als nicht- Betroffene ist es nur schwer vorstellbar, wie es sein muss, sich seinen Kopf mit anderen zu teilen und beständig Stimmen darin zu hören, die andere Meinungen vertreten. Lange Gedächtnislücken zu haben. Schmerzen, ohne zu wissen, woher sie kommen. Es gibt sehr viele interessante Aspekte dieser Störung. Ich habe bereits einziges dazu gelesen, wie beispielsweise die Sachbücher Michaela Hubers oder Truddi Chase' "Aufschrei". Letzteres ist besser geeignet um es mit dem vorliegenden Werk zu vergleichen, da ebenfalls der Bericht einer Betroffenen. Bonnie Leben folge ich seit einiger Zeit auf Instagram, wie, ich denke, auch die meisten anderen ihrer Leser. Wie auf Social Media üblich, bleiben die Inhalte eher oberflächlich und sind auf Likes und kurze Thrills ausgelegt. 
Ich erhoffte mir von einem schriftlichen Werk also einen gewissen Mehrwert, besonders im Hinblick auf die Tiefe und das Innenleben der Personen. Die Triggerwarnungen zu Beginn fehlten jedenfalls nicht. Im Laufe des Buches fragte ich mich allerdings, weshalb diese überhaupt da standen- denn es wurde während des gesamten Buches nichts konkretisiert, höchstens angedeutet. Im Großen und Ganzen bleibt es bei dem, was Follower bereits kennen, es gibt eigentlich keine neuen Informationen. Was es aber gibt: Einen philosophischen, lebensweisheitlichen Zeigefinger am Ende jedes Kapitels. Für mich sind allgemeine Aussagen dieser Art eine Ablenkung, um nicht wirklich in die Tiefe gehen zu müssen. Ich gewinne den Eindruck, dass die Autorin es in jedem Fall vermag, ihre Störung angemessen zu vermarkten. 
Leider war es mir zuwenig Authentizität, dafür viel psychologisches Blabla, das auch in einem Selbsthilfebuch stehen könnte. Daher empfehle ich das Buch eher nicht weiter- wer einen wirklich guten, ergreifenden Bericht einer Betroffenen lesen möchte, dem empfehle ich deutlich "Aufschrei" von Truddi Chase, auch, wenn es nur noch antiquarisch zu erhalten ist. 





Meine Bewertung: 💙💙🤍🤍🤍

[Rezension] Laura Imai Messina- Der verborgene Leben der Farben

 

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22€
384 Seiten
ISBN 3442762650
Reziexemplar

Worum geht's? 

Mitternachtsschwarz mit einem Hauch von Mond, Indigo, das nach Heidelbeere riecht, Pfirsichgelb kurz vor der Reife: Mio versteht es, alle Farben der Welt einzufangen und zu benennen. In dem Atelier, in dem ihre Familie Hochzeitskimonos mit alten, seit Generationen überlieferten Symbolen näht und bestickt, lernte sie von klein auf die Bedeutung der Details und entdeckte das verborgene Leben der Farben. Seitdem sind Farben ihr Alphabet, ihr geheimer Schlüssel zur Welt. Aoi hingegen begleitet Beerdigungszeremonien: Er bereitet diejenigen vor, die von dieser Welt gehen, und kümmert sich um jene, die bleiben. Er besitzt die seltene Sensibilität, sein Gegenüber auf den ersten Blick zu verstehen. Als sich Mios und Aois Wege kreuzen, spiegeln sie sich wie zwei Komplementärfarben. Sie scheinen perfekt füreinander, doch ihre Begegnung war kein Zufall.

Laura Imai Messina versteht es meisterhaft, die magische Kraft des Alltäglichen freizulegen. Und Japan, der Ort der Gegensätze, ist die ideale Projektionsfläche dieser Magie. So werden auf den Straßen von Tokio, der zukunftsgewandten Stadt, immer noch die alten Rituale einer tausendjährigen Kultur gelebt, wie die Übergangszeremonien von Hochzeit und Beerdigung. »Das verborgene Leben der Farben« ist ein großstädtisches Märchen, das die Macht hat uns zu verzaubern.(Quelle: Verlag)

Meine Meinung: 

Das verborgene Leben der Farben" ist ein unglaublich berührendes Buch, das mich von der ersten Seite an in seinen Bann gezogen hat. Laura Imai Messina gelingt es auf wunderbare Weise, die Macht und Schönheit der Farben in unserem Leben aufzuzeigen und dabei gleichzeitig eine fesselnde Geschichte zu erzählen.

Die Art und Weise, wie die Autorin die verschiedenen Farben mit den Emotionen und Gefühlen der Charaktere verwebt, ist einfach magisch. Jede Farbe hat ihre eigene Bedeutung und bringt eine ganz eigene Stimmung in die Geschichte. Ob es nun das tiefe Blau des Ozeans ist, das die Sehnsucht und die Verbundenheit der Protagonisten widerspiegelt, oder das leuchtende Rot der Sonne, das die Hoffnung und die Lebensfreude symbolisiert - jede Farbe hat ihre eigene Geschichte zu erzählen.

Besonders beeindruckend fand ich auch die Art und Weise, wie Laura Imai Messina die historischen Ereignisse in die Handlung einfließen lässt. Die Geschichte spielt im Japan der Nachkriegszeit und behandelt Themen wie Trauer, Verlust und die Suche nach einem Neuanfang. Durch die Verknüpfung von persönlichen Schicksalen und gesellschaftlichen Umbrüchen gelingt es der Autorin, eine packende und tiefgründige Geschichte zu erzählen, die noch lange nachhallt.

Auch die Figuren in diesem Buch sind einfach fantastisch. Ihre Entwicklung im Laufe der Handlung ist mitreißend und einfühlsam geschildert. Man fiebert und leidet mit ihnen mit und kann sich voll und ganz in ihre Gedanken und Gefühle hineinversetzen.

Insgesamt hat mich "Das verborgene Leben der Farben" tief berührt und nachdenklich gestimmt. Es ist ein Buch, das mich noch lange begleiten wird und das ich jedem, der sich für emotionale und tiefgründige Geschichten interessiert, wärmstens ans Herz legen möchte. Ein wahres Meisterwerk, das man gelesen haben muss!


Meine Bewertung: 💙💙💙💙🤍

[Rezension] Thomas Olde Heuvelt- November

  

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18 €
640 Seiten
ISBN 3453321448
Reziexemplar
Worum geht's? 

In Lock Haven, einer beschaulichen kleinen Stadt in Washington State, gibt es eine ganz besondere Straße. Die Bird Street. Wer in der Bird Street wohnt, ist erfolgreich, wohlhabend, gesund und glücklich. Die Kinder allesamt ausgeglichen, wohlerzogen und klug. Zumindest für elf Monate im Jahr. Im November jedoch brechen die dunklen Tage an. Pech, Misserfolg und Krankheit halten Einzug. Im November kommt der Fremde in die Bird Street, um bei den Bewohnern die Schulden einzutreiben. Im November ist die Zeit gekommen, den Preis für all das Glück zu zahlen. Denn es kehrt erst zurück, wenn ein Menschenleben geopfert wird ... (Quelle: Verlag)


Meine Meinung: 

'November' ist nicht das erste Buch des Romanautoren Thomas Olde Heuvelt. 'Hex' war seinerzeit das Erste, und es konnte mich, trotz einiger Schwächen, doch ziemlich begeistern. Der Eindruck war auf jeden Fall nachhaltig gut genug, um auf den neuen Roman des niederländischen Autors zu warten und ihm sogleich eine Chance zu geben. 
Fangen wir mit dem Groben an. Wieder nimmt sich Heuvelt eine begrenzte Gemeinschaft von Menschen vor- war es in 'Hex' noch eine Kleinstadt, beschränkt er sich hier auf eine einzige Straße. Eine Straße voller Nachbarn, aber mit übersichtlicher Personenzahl. Die ersten Seiten hindurch hatte ich tatsächlich Angst, dass es durch die (so dachte ich) vielen Erzählperspektiven zu verschlungen und verwirrend werden könnte. Zu meiner Erleichterung stellte ich aber fest, dass er sich doch auf eine Familie beschränkt und das Geschehen nur aus ihrer Sichtweise heraus erzählt. Somit waren meine ersten Befürchtungen schon einmal zerstreut. 
In der Bird Street leben ausschließlich Menschen, von denen man sagen könnte, sie haben es geschafft. Sie sind erfolgreich, sie haben Geld, sie leben ihre Träume. Alles Friede Freude Eierkuchen. Aber dann, jedes Jahr im November, kippt das Ganze. Kinder werden aggressiv und stürzen in psychiatrische Episoden, Erwachsene werden krank und streiten, alles scheint den Bach herunter zu gehen- ausser, es wird ein Menschenleben geopfert. 
Nun gut. Die Bewohner der Bird Street finden viele Jahrzehnte, das sei ein angemessener Preis. Bis im Jahr des Romans etwas furchtbares geschieht- und damit alles von der Klippe zu stürzen droht. 
Generell würde ich schon sagen, es gibt durchaus Horrorelemente in dem Roman. Ich fand ein paar Elemente vom 'Friedhof der Kuscheltiere' sowie von 'Rosemarys Baby'. Es gelingt dem Autor schon, hier eine düstere, lauernde Atmosphäre aufzubauen. Es gab sogar einen Abend, an dem ich nicht einschlafen konnte und mich im Dunkeln fürchtete, weil ich das Buch noch so im Kopf hatte. Auch die Spannung nimmt mit den Seiten immer mehr zu, bis sie schließlich im Finale explodiert. Obgleich ist einiges von der Auflösung schon erahnte und mir manches zu offen bliebt, war es doch ein sehr gelungenes Leseerlebnis, das ich weiterempfehlen würde. Negativ fielen mir durchaus ein paar Längen auf, 50-100 Seiten weniger hätten dem Buch nicht geschadet. Es war nun aber auch nicht so schlimm, dass ich es entnervt hätte weglegen wollen. Wie auch schon in 'Hex' gelingt es Heuvelt hier erneut sehr gut, menschliche Abgründe der 'Menschen von Nebenan' darzustellen. Dieses Buch hinterlässt die Frage: Wie gut kennen wir unsere Nachbarn eigentlich wirklich? Und was wären sie bereit, für ihr eigenes Glück zu tun? 

Meine Bewertung: 

💙💙💙💙🤍

[Rezension] Nina Blazon- Ich träumte von einer Bestie


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22€
448 Seiten
ISBN 3365003002
Reziexemplar
Worum geht's? 


Fleurs Leben ist das Internet. Dieser Ort bietet der Datenforensikerin im Gegensatz zur realen Welt Geborgenheit. Als Fleur die Wohnung ihrer verhassten französischen Großmutter erbt, wird sie mit ihrer ungeklärten Familiengeschichte konfrontiert. Auf den Spuren ihrer Ahnen reist Fleur nach Frankreich in die Auvergne. Dort stößt sie auf ein dunkles Geheimnis, das bis in die Zeit der Aufklärung zurückreicht. Dabei blickt sie auch einer Bestie ins Gesicht, die das Schicksal ihrer Familie seit Generationen überschattet. Nach dieser Begegnung wird Fleur für immer eine andere sein.

Nina Blazon führt uns nach Frankreich und hin zu einer bekannten Legende: die Bestie des Gévaudan. (Quelle: Verlag)

Meine Meinung: 

Wenn es eines im literarischen Sektor gibt dem ich nicht widerstehen kann, dann sind es Adaptionen von Märchen und Legenden. Für Erwachsene, möchte ich betonen, also auch gerne düster und tiefgehend. In der Vergangenheit habe ich bereits einige sehr gute Beispiele davon kennen gelernt, wie beispielsweise die Bücher von Daniela Winterfeld, Christina Henry oder Madeline Miller. Ich liebe es mich so richtig in diese Geschichten fallen zu lassen, mich hinwegzuträumen. Meistens haben sie mystische Anklänge oder gehen in den Bereich der Fantasy, einfach der Tatsache geschuldet dass auch Märchen und Legenden meistens einen nicht zu vernachlässigenden übersinnlichen Einschlag haben. 
Das war es also, womit ich auch bei diesem Roman zuerst gerechnet hatte. Dies kann ich auf jeden Fall schon einmal entkräften: Der Roman gehört für mich keinesfalls in das Genre der Fantasy. Obgleich die Autorin sich einige Dinge ausgedacht hat die so nicht existieren, wie sie im Nachwort erklärt, bleiben diese fiktionalen Fakten doch immer ausgerichtet an real existierenden Gegebenheiten. Ich muss zugeben, ganz zu Anfang mochte ich die Protagonistin Fleur nicht leiden. Sie war spröde, bärbeißig und verschlossen und ich bekam keinen rechten Zugang zu ihr. Überhaupt waren die ersten Seiten des Romans für mich eher holprig, wirkten typisch betulich deutsch, wenn auch sprachlich von Beginn an sehr schön zu lesen. 
Aber dann, so nach 50 Seiten, packte es mich. Als im Laufe des Romans auch immer mehr von Fleurs Hintergrund offenbar wurde, machte ich meinen Frieden mit ihrer Art, die im Nachhinein für mich nachvollziehbar wurde und ziemlich gut dazu passte. Ebenso die Art ihrer Familie, bei denen mir zu Anfang nur Bruder und Stiefvater sympathisch waren. Was die äußere Form angeht, so hatte ich einen Roman erwartet wie ich ihn bei solchen Themen kenne: Auf zwei Zeitebenen erzählt. Unter uns, das empfinde ich langsam als wirklich zu Tode geritten, es entlockt mir nur noch ein Schnarchen. Ich hüpfte innerlich vor Freude als ich erkannte, dass die Autorin hier komplett darauf verzichtet- obgleich wir uns natürlich mit der Vergangenheit beschäftigen, uns der Legende von Gévaudan immer weiter annähern, ist die Handlung doch die ganze Zeit in der Gegenwart angesiedelt, was mir SEHR gut gefiel. Und überraschenderweise gelingt es Nina Blazon trotzdem, die Vergangenheit lebendig werden zu lassen. 
Wer wirklich mal ein bißchen Frankreich fühlen will, ist hier gut aufgehoben. Immer wieder werden französische Ortschaften beschrieben, Charaktere erschlossen und die französische Sprache eingestreut. Aber immer wirkte es organisch, nie bemüht oder überhöht, und: Es liest sich, als würde die Autorin die Landschaft des Gévaudan genau kennen. Ich weiß nicht, ob sie dorthin gereist ist, aber ich könnte es mir gut vorstellen, so plastisch ist die Beschreibung, und, wichtig für mich: Der Flair. In dieser Hinsicht war der Roman wie ein Kurzurlaub für mich. Die Handlung selbst entfaltet sich wie eine hübsche Blume, wie es auch Fleur tut, die im Laufe der Geschichte immer mehr über sich selbst herausfindet und ihre eigentlichen Wurzeln erkennt. 
Wenn ich herausstellen müsste was mir in einem Roman am allerwichtigsten ist, so wäre das die Charakterentwicklung. Nichts fesselt mich so sehr wie Charaktere die einen Weg gehen und dabei glaubhaft begleitet werden. Das war es, was ich hier fand: Glaubhafte Charaktere, nachvollziehbare Motive, Entwicklung. 
Für mich war dieser Roman ein absolutes Highlight, ja, das muss ich wirklich sagen. Nachdem ich die ersten paar Seiten hinter mir hatte ließ er mich nicht mehr los, bis ich ihn zuschlug. Ich könnte mir sogar vorstellen ihn nochmal zu lesen, was ich sonst nie tue. Ich spreche eine unbedingte Leseempfehlung aus und vergebe die Maximalpunktzahl. Und natürlich werde ich die Autorin weiter im Auge behalten und hoffe innigst, dass es bald wieder etwas von ihr zu lesen geben wird, das so ein Feuerwerk in meinem Kopf entfacht. 

Meine Bewertung: 💙💙💙💙💙

[Rezension] Stephen King- Holly

 

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28€
640 Seiten
ISBN 3453274334
Reziexemplar
Worum geht's? 

Privatermittlerin Holly Gibney steckt in einer Lebenskrise, da erhält sie einen Anruf: »Meine Tochter Bonnie ist vor drei Wochen verschwunden, und die Polizei unternimmt nichts.« Ihre Nachforschungen führen Holly zu einer weit zurückreichenden Liste ungelöster Vermisstenfälle. Alle spielen im Umfeld eines inzwischen emeritierten Ernährungswissenschaftlers mit dem Spitznamen »Mr. Meat«. Holly hat schon gegen grausame Gegner bestanden, aber hier begegnet sie dem schlimmsten aller Ungeheuer: dem Menschen in seinem Wahn.

Meine Meinung: 

Ich kriege gleich sicher Haue- aber ich habe nicht alle King Romane gelesen. Ganz besonders von den alten Machwerken kenne ich kaum welche. Was ich sagen kann ist, dass ich vom Autor lieber die psychologischen als die übersinnlichen Romane lese. Ich bin aber auch niemand der ein Werk neben andere Werke des Autors stellt und die Beurteilung auf dieser Basis trifft. Nein, ich beurteile einen Roman stets als Einzelwerk (Reihen ausgenommen). Schon als ich den Klappentext las, hatte ich eine Vermutung wo es hingehen würde, und dies bestätigte sich. Die Protagonistin, Holly, gefiel mir. Sie war ein bißchen hypochondrisch veranlagt, etwas übervorsichtig, etwas neurotisch... aber sie blieb sympathisch. Und auf der anderen Seite haben wir ein Täterehepaar, das gleich mehrere Tabus bricht. Mal ehrlich, wir neigen dazu bestimmten Personengruppen keine Schlechtigkeiten oder gar Grausamkeiten zuzutrauen. Dazu zählen Alte und Kinder. King spielt hier bewusst mit diesem Grauen, mit unseren Vorurteilen. Ein solcher Bruch schockiert natürlich noch viel mehr, als wenn wir mit Tätergruppen konfrontiert werden mit denen wir rechnen. Das gefiel mir sehr gut, und besonders mochte ich dass sich hier solche Mühe gegeben wurde, alle Personen mit Motiven und glaubhaften Charaktereigenschaften auszustatten. Dabei lässt sich der Roman Zeit und spielt beständig subtil mit der Furcht und der Ungewissheit. Ein paar nette Horrorelemente sind auch dabei, die mich schlucken ließen. Interessant fand ich die teilweise ironische Art der Darstellung des Horrors, was sehr gut zu den Tätern passte. 
Und, gibt es auch Schwächen? Ja, doch. Mit sind zwei Dinge aufgefallen, die ich verbesserungswürdig fand. Zum Einen war mir das Ende ein wenig zu hopplahopp... es passte nicht zu der eher ruhigen Erzählart des restlichen Buches und geriet ein wenig unrund. Da hätte ich mir eine Lösung gewünscht die der detailverliebten Erzählart besser zu Gesicht gestanden hätte. Und zum Zweiten hatte Corona einen ziemlich prominenten Auftritt in diesem Roman. Impfstatus sämtlicher Personen, auf jeder Seite erwähnte Masken... mir war's zuviel. Eigentlich lese ich Belletristik, um mal eine Verschaufpause vom Weltgeschehen zu bekommen. In dieser Penetranz fand ich die Thematik doch am Ziel vorbei, ebenso wie die immer wieder eingestreuten politischen Statements (Anti- Trump, ja, ich hab's kapiert...). 
Letzten Endes habe ich mich aber trotzdem gut unterhalten gefühlt. Ich wurde von der Handlung wirklich bei der Stange gehalten und die Spannung sorgte dafür, dass ich nur so durch die Seiten flog. Ein paar kleine Schwächen, durchaus... aber nichts, was jetzt ernsthaft mein Lesevergnügen geschmälert hätte. 


Meine Bewertung: 💙💙💙💙🤍