Posts mit dem Label Historisch werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Historisch werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

[Rezension] Ulrike Draesner- Die Verwandelten

 

Hier kaufen
26€
608 Seiten
ISBN 3328601724
Reziexemplar

Worum geht's? 


Eine nationalsozialistische Vorzeigemutter, die anderen beibringt, wie Kinder zu erziehen sind, doch über das Wichtigste, was sie verloren hat, niemals spricht. Eine Köchin, die lieber Frauen geliebt hätte als den Dienstherrn, unterwegs durch das zerstörte Deutschland im Sommer 1945. Ein Mädchen in München Solln, geboren in einem Lebensbornheim der SS. Eine alleinerziehende Anwältin von heute, die nach dem Tod ihrer Mutter unverhofft eine Wohnung in Wrocław erbt – und einen polnischen Zweig der Familie entdeckt. Alle Figuren verbindet ein Jahrhundert von Krieg und Nachkrieg, Flucht und Vertreibung, von Gewalt. Was bedeutet es, in einem Staat zu leben, der Menschenzucht betreibt? Und wie darüber schreiben, was den Frauen im Krieg geschieht? Was ihnen die Sprache nimmt. Was sie für immer verwandelt. Und wie über die unsichtbare Kraft, die verhindert, dass sie daran zerbrechen?
Ulrike Draesner gibt den Verwandelten ihre Stimmen zurück. Sie erfinden sich neu, wechseln Sprache und Land, überraschen sich selbst mit ihrem Mut, ihrem Humor, ihrer Kraft. Die Bedeutung von Familie verändert sich, Freiräume entstehen. Ein erschütternder Roman, bewegend, aufwühlend, zärtlich, klug.
Schaut: die Liebe der Töchter zu ihren Müttern, der Mütter zu ihren Töchtern. Schaut, wie sie blitzt durch ein dunkles Tuch.

Meine Meinung: 

Die Handlung konzentriert sich auf die Geschichte einer Familie, die durch die Wirren des Krieges auseinandergerissen wird. Besonders im Fokus steht die junge Elisabeth, die nach einem Angriff auf ihr Heimatdorf in Oberschlesien fliehen muss. Ihre Odyssee und die Begegnungen mit anderen Vertriebenen zeigen eindrucksvoll die Brutalität und das Chaos dieser Zeit, aber auch die Widerstandskraft und den Überlebenswillen der Menschen.
Draesners Sprache ist poetisch und zugleich präzise. Sie schafft es, mit wenigen Worten kraftvolle Bilder zu erzeugen und die emotionale Tiefe ihrer Charaktere spürbar zu machen. Ihr Stil ist geprägt von einer dichten, atmosphärischen Erzählweise, die den Leser unmittelbar in die Welt der Figuren hineinzieht. Besonders beeindruckend ist, wie sie historische Fakten und persönliche Geschichten miteinander verwebt, ohne dass dabei der literarische Anspruch verloren geht.
Ein zentrales Motiv des Romans ist die Verwandlung – sei es im physischen Sinne durch Flucht und Vertreibung oder im metaphorischen Sinne durch die innere Entwicklung der Figuren. Draesner thematisiert die Frage nach Identität und Heimat, nach Verlust und Neubeginn. Sie zeigt, wie Krieg und Gewalt Menschen verändern, sie aber auch zu neuen Erkenntnissen und Stärken führen können.
Ein weiteres wichtiges Thema ist die Rolle der Frauen in Kriegszeiten. Draesner porträtiert ihre weiblichen Protagonisten als starke, eigenständige Persönlichkeiten, die trotz aller Widrigkeiten ihren Weg gehen. Dies verleiht dem Roman eine zusätzliche Dimension und hebt ihn von anderen historischen Romanen ab.
"Die Verwandelten" von Ulrike Draesner ist ein beeindruckender Roman, der durch seine literarische Qualität und die Tiefe seiner Themen besticht. Draesner gelingt es, die Schrecken des Krieges und die Kraft des menschlichen Geistes in einer poetischen und zugleich eindringlichen Sprache darzustellen. Ihre fein gezeichneten Charaktere und die kunstvolle Verknüpfung von Geschichte und persönlichem Schicksal machen das Buch zu einem Leseerlebnis, das lange im Gedächtnis bleibt.
Wer sich für anspruchsvolle Literatur interessiert und bereit ist, sich auf eine emotionale und intellektuelle Reise zu begeben, sollte "Die Verwandelten" unbedingt lesen. Es ist ein Werk, das sowohl berührt als auch zum Nachdenken anregt – ein wahrer Schatz in der zeitgenössischen deutschen Literatur.
Ulrike Draesner, eine der bedeutendsten zeitgenössischen deutschen Autorinnen, präsentiert mit "Die Verwandelten" einen Roman, der sowohl literarisch anspruchsvoll als auch tief berührend ist. In ihrem Werk verschmelzen historische Fakten, mythologische Bezüge und menschliche Schicksale zu einem eindrucksvollen Gesamtbild, das lange nachhallt. "Die Verwandelten" spielt in der Zeit des Zweiten Weltkriegs und folgt den Lebenswegen mehrerer Protagonisten, deren Schicksale auf vielfältige Weise miteinander verknüpft sind. Draesner beleuchtet die Grausamkeiten des Krieges und deren Auswirkungen auf das individuelle und kollektive Bewusstsein der Menschen. Dabei wechselt sie meisterhaft zwischen verschiedenen Zeitebenen und Perspektiven, was dem Roman eine besondere Tiefe und Komplexität verleiht.





Meine Bewertung: 💙💙💙💙🤍

[Rezension] Nina Blazon- Ich träumte von einer Bestie


Hier kaufen
22€
448 Seiten
ISBN 3365003002
Reziexemplar
Worum geht's? 


Fleurs Leben ist das Internet. Dieser Ort bietet der Datenforensikerin im Gegensatz zur realen Welt Geborgenheit. Als Fleur die Wohnung ihrer verhassten französischen Großmutter erbt, wird sie mit ihrer ungeklärten Familiengeschichte konfrontiert. Auf den Spuren ihrer Ahnen reist Fleur nach Frankreich in die Auvergne. Dort stößt sie auf ein dunkles Geheimnis, das bis in die Zeit der Aufklärung zurückreicht. Dabei blickt sie auch einer Bestie ins Gesicht, die das Schicksal ihrer Familie seit Generationen überschattet. Nach dieser Begegnung wird Fleur für immer eine andere sein.

Nina Blazon führt uns nach Frankreich und hin zu einer bekannten Legende: die Bestie des Gévaudan. (Quelle: Verlag)

Meine Meinung: 

Wenn es eines im literarischen Sektor gibt dem ich nicht widerstehen kann, dann sind es Adaptionen von Märchen und Legenden. Für Erwachsene, möchte ich betonen, also auch gerne düster und tiefgehend. In der Vergangenheit habe ich bereits einige sehr gute Beispiele davon kennen gelernt, wie beispielsweise die Bücher von Daniela Winterfeld, Christina Henry oder Madeline Miller. Ich liebe es mich so richtig in diese Geschichten fallen zu lassen, mich hinwegzuträumen. Meistens haben sie mystische Anklänge oder gehen in den Bereich der Fantasy, einfach der Tatsache geschuldet dass auch Märchen und Legenden meistens einen nicht zu vernachlässigenden übersinnlichen Einschlag haben. 
Das war es also, womit ich auch bei diesem Roman zuerst gerechnet hatte. Dies kann ich auf jeden Fall schon einmal entkräften: Der Roman gehört für mich keinesfalls in das Genre der Fantasy. Obgleich die Autorin sich einige Dinge ausgedacht hat die so nicht existieren, wie sie im Nachwort erklärt, bleiben diese fiktionalen Fakten doch immer ausgerichtet an real existierenden Gegebenheiten. Ich muss zugeben, ganz zu Anfang mochte ich die Protagonistin Fleur nicht leiden. Sie war spröde, bärbeißig und verschlossen und ich bekam keinen rechten Zugang zu ihr. Überhaupt waren die ersten Seiten des Romans für mich eher holprig, wirkten typisch betulich deutsch, wenn auch sprachlich von Beginn an sehr schön zu lesen. 
Aber dann, so nach 50 Seiten, packte es mich. Als im Laufe des Romans auch immer mehr von Fleurs Hintergrund offenbar wurde, machte ich meinen Frieden mit ihrer Art, die im Nachhinein für mich nachvollziehbar wurde und ziemlich gut dazu passte. Ebenso die Art ihrer Familie, bei denen mir zu Anfang nur Bruder und Stiefvater sympathisch waren. Was die äußere Form angeht, so hatte ich einen Roman erwartet wie ich ihn bei solchen Themen kenne: Auf zwei Zeitebenen erzählt. Unter uns, das empfinde ich langsam als wirklich zu Tode geritten, es entlockt mir nur noch ein Schnarchen. Ich hüpfte innerlich vor Freude als ich erkannte, dass die Autorin hier komplett darauf verzichtet- obgleich wir uns natürlich mit der Vergangenheit beschäftigen, uns der Legende von Gévaudan immer weiter annähern, ist die Handlung doch die ganze Zeit in der Gegenwart angesiedelt, was mir SEHR gut gefiel. Und überraschenderweise gelingt es Nina Blazon trotzdem, die Vergangenheit lebendig werden zu lassen. 
Wer wirklich mal ein bißchen Frankreich fühlen will, ist hier gut aufgehoben. Immer wieder werden französische Ortschaften beschrieben, Charaktere erschlossen und die französische Sprache eingestreut. Aber immer wirkte es organisch, nie bemüht oder überhöht, und: Es liest sich, als würde die Autorin die Landschaft des Gévaudan genau kennen. Ich weiß nicht, ob sie dorthin gereist ist, aber ich könnte es mir gut vorstellen, so plastisch ist die Beschreibung, und, wichtig für mich: Der Flair. In dieser Hinsicht war der Roman wie ein Kurzurlaub für mich. Die Handlung selbst entfaltet sich wie eine hübsche Blume, wie es auch Fleur tut, die im Laufe der Geschichte immer mehr über sich selbst herausfindet und ihre eigentlichen Wurzeln erkennt. 
Wenn ich herausstellen müsste was mir in einem Roman am allerwichtigsten ist, so wäre das die Charakterentwicklung. Nichts fesselt mich so sehr wie Charaktere die einen Weg gehen und dabei glaubhaft begleitet werden. Das war es, was ich hier fand: Glaubhafte Charaktere, nachvollziehbare Motive, Entwicklung. 
Für mich war dieser Roman ein absolutes Highlight, ja, das muss ich wirklich sagen. Nachdem ich die ersten paar Seiten hinter mir hatte ließ er mich nicht mehr los, bis ich ihn zuschlug. Ich könnte mir sogar vorstellen ihn nochmal zu lesen, was ich sonst nie tue. Ich spreche eine unbedingte Leseempfehlung aus und vergebe die Maximalpunktzahl. Und natürlich werde ich die Autorin weiter im Auge behalten und hoffe innigst, dass es bald wieder etwas von ihr zu lesen geben wird, das so ein Feuerwerk in meinem Kopf entfacht. 

Meine Bewertung: 💙💙💙💙💙

[Rezension] Octavia E. Butler- Die Parabel vom Sämann

 

Hier kaufen
15€
448 Seiten
ISBN 3453534921
Rezensionsexemplar
Worum geht's? 

Wir schreiben das Jahr 2024. Klimawandel, Wirtschaftskrisen und ein politischer Rechtsruck haben das Leben in den USA von Grund auf verändert. Lauren Olamina lebt mit ihrer Familie in Kalifornien, relativ sicher vor Plünderern hinter hohen Mauern. Wer überleben will, muss Stärke zeigen, deswegen hütet Lauren ihr Geheimnis sorgfältig: Sie leidet an Hyperempathie – sie empfindet die Emotionen eines anderen Menschen so tief, als wären es ihre eigenen. Doch wenn sie will, dass ihre Stimme gehört wird, darf sie sich nicht länger hinter den Mauern verstecken. Also macht sich Lauren auf die Reise nach Norden, wo es noch Sicherheit und Jobs gibt. Was als Kampf ums Überleben beginnt, wird schnell zu sehr viel mehr: Der Geburt einer neuen Religion – und einer atemberaubenden Vision für die Zukunft der Menschheit.

Meine Meinung: 


Dies war mein erster Roman von Octavia E. Butler- der Name war mir bisher komplett unbekannt, vielleicht auch, weil ich nicht die typische Sciene-Fiction Leserin bin. Ich stelle mir unter Science Fiction immer die typische Story in Weltraumstädten und fremden Planeten vor- wurde mit diesem Roman aber daran erinnert, dass dieses Bild nicht immer stimmt- auch Utopien oder (in diesem Fall) Dystopien können zu diesem Genre gehören. 
Ja, wir sehen hier eine recht düstere Dystopie. Und es ist, wie ich finde, ziemlich beeindruckend, welche Sicht auf die Zukunft eine Autorin hatte, die bereits 2006 verstarb. Das Bild, das sie zeichnet, ist heute gar nicht mehr zu unwahrscheinlich. Eine Welt, viel zu warm und trocken, in der die Menschen auf der Suche nach Arbeit und Wasser gen Norden ziehen, da der Süden zunehmend unbewohnbar wird. Generell kein schönes Szenario, niemand vertraut anderen, es gilt das Recht des Stärkeren und Mitgefühl und Freude ist nur noch selten zu finden. In dieser Welt lebt nun Lauren, die die Gefühle anderer Menschen spürt als wären es ihre eigenen. In einer Welt voller Hass und Not eine zweifelhafte Ehre. Eines Tages ist sie gezwungen, ihr Zuhause zu verlassen- und nutzt dies als Start in ein neues Leben. Auf ihrer Wanderschaft begleitete ich sie auf jedem Schritt, teilte ihre Gedanken und lernte mit ihr Menschen kennen, die sich ihr anschlossen. Lauren ist eine unglaublich gut ausgestaltete Heldin, die sich (wohl aufgrund ihrer Gabe) eine gewisse Ethik und ein gutes Herz bewahrt hat. Der Roman hat mich emotional auf ganz vielen verschiedenen Ebenen erreicht, ich durchlebte das gesamte Gefühlsspektrum beim Lesen. Eine starke, weibliche Heldin, die aber nicht übertrieben wirkt sondern ein Mensch mit realistischen Träumen, Motiven und auch Schwächen ist. Die Gruppe von Menschen um sie herum, die sich durch sehr unterschiedliche Individuen auszeichnet, die alle ihre Eigenheiten mitbringen und meisterhaft gestaltet sind. Ich hatte zum Schluss das Gefühl, diese Menschen wirklich zu kennen. Lauren trägt in dieser düsteren Umgebung ein Licht vor sich her und reißt die Menschen mit. 
Wer Gewaltschilderungen nicht lesen kann oder Beschreibungen von Elend, wird mit diesem Roman nicht glücklich werden, denn die Autorin nimmt kein Blatt vor den Mund. Mord an Kindern kommt genauso vor wie Kannibalismus. Wer dies aber in die Geschichte eingebettet in Ordnung findet, der findet hier ein echtes Meisterwerk. Ich habe lange nicht mehr etwas zu packendes gelesen und werde mir in jedem Fall die Fortsetzung ebenfalls vornehmen, wenn sie nächstes Jahr herauskommt. Volle Punktzahl. 

Meine Bewertung:  💙💙💙💙💙





[Rezension] Ellen Sandberg- Das Unrecht

 

Kaufen
22€
416 Seiten
ISBN 3328602542
Reziexemplar
Worum geht's? 

Jedes Jahr, wenn der Herbst naht, wird Annett von einer inneren Unruhe erfasst. Dann macht sich die Narbe an ihrem Arm bemerkbar, dann werden die Erinnerungen an den Sommer 1988 und an die Clique von damals wach. Fünf Freunde, die sich blind vertrauten, bis einer von ihnen zum Verräter wurde.
Jetzt, Jahrzehnte später, begreift Annett, dass sie ihren inneren Frieden erst finden wird, wenn sie sich der Vergangenheit stellt. Kurz entschlossen fährt sie nach Wismar. Zurück an die Ostsee, in ihre alte Heimat. Doch je mehr sie dort über die Ereignisse jenes Sommers herausfindet, umso deutlicher wird: Sie hätte die Vergangenheit besser ruhen lassen, denn der Verrat von damals reißt ihr Leben erneut in einen Abgrund …

Ein großer Spannungsroman über eine ungesühnte Schuld und die Schatten der Vergangenheit, die eine Familie nach Jahrzehnten einholen. (Quelle: Amazon)



Meine Meinung: 


Ich habe bisher tatsächlich alle Romane von Ellen Sandberg gelesen- eine Autorin, die sich gerne mit Schuld und Vergeltung, mit Traumata und Familiengeschichten befasst. Und die eine absolute Schwäche für das Erzählen auf zwei Zeitebenen hat. Da könnte man jetzt sagen, immer gleiche Form und neu aufgerollt. Ja, neu erfinden tut die Autorin das Rad nicht- andersherum wissen Leser und Leserinnen aber immer, was sie bekommen. Und das ist einen spannenden Roman mit Verrat und Liebe, Freundschaft und doppeltem Boden, an dessen Ende die Fäden zusammen geführt werden und meist einen 'Aha'- Moment hervorrufen. 

Bei diesem Roman also begeben wir uns in die DDR des Jahres 1988 sowie in die Jetztzeit. Da ahnt der/die beflissene Leser:in schon, worauf es hinausläuft. Kein DDR Roman ohne die Stasi, das Stasigefängnis und Verrat. Ich lebe heute auf dem Grund und Boden der ehemaligen DDR und habe in meinem Umfeld mehrheitlich Menschen, die Zeitzeugen sind. Und: Das, was die Autorin hier erzählt, entsprach der Realität. Jeder Nachbar konnte ein Verräter sein, manchmal wurden sogar Eheleute wechselseitig auf ihren jeweiligen Partner angesetzt. Sie lebten dann dreißig Jahre zusammen und wussten nicht, dass sie ebenfalls bespitzelt wurden. Diese Zeitebene fand ich daher durchaus sehr gelungen, wenn auch die detaillierten Beschreibungen schmerzhaft waren. 

In der Jetztzeit stieß ich mich sehr an der Beziehung/Ehe der Hauptprotagonistin (Manipulation, nicht gleichberechtigte Partnerschaft, Besessenheit) und fand, dieses Thema bzw. die Dynamik hätte durchaus ein eigenes Buch verdient gehabt. So fand ich es zum Teil etwas viel oben drauf. 
Unterm Strich hat mir auch dieser Roman der Autorin wieder gefallen, ein großer Wurf ist er aber meiner Meinung nach nicht. Solide Unterhaltung für ein verregnetes Wochenende. 


Meine Bewertung: 💙💙💙🤍🤍

[Rezension] Zeyn Joukhadar- Die Karte der zerbrochenen Träume


Kaufen
22€
448 Seiten
ISBN 3453271513
Reziexemplar

Worum geht's? 

Sommer 2011. Nour ist als Kind syrischer Einwanderer in New York geboren. Als ihr Vater stirbt, beschließt Nours Mutter, in ihre Heimat Syrien zurückzugehen. Doch das Syrien, das Nours Eltern noch kannten, gibt es nicht mehr. Schon bald erreicht der Krieg auch das ruhige Stadtviertel von Homs, in dem die Familie lebt. Als ihr Haus von einer Granate zerstört wird, fällt die Entscheidung, das Land zu verlassen. Ziel ist Spanien, und der Weg wird die Familie durch Jordanien, Ägypten, Libyen, Algerien und Marokko führen. Auf der Suche nach Trost und Ablenkung erzählt sich Nour während der Flucht die Fabel von Rawiya, einer jungen Abenteurerin, die sich im 12. Jahrhundert dem berühmten Kartografen al-Idrisi anschließt, um die Kunst des Kartenzeichnens zu erlernen. Viele Orte, die Rawiya durchreist, liegen auf der Route von Nour und ihrer Familie. Damals wie heute lauert Gefahr. Bis Nours Mutter vor einer Entscheidung steht, die die Familie für immer auseinanderreißen könnte.

Meine Meinung:
 

Der Roman behandelt ein Thema, das im Jahr 2023 aktueller den je ist. Immigration beinhaltet Geschichten, die wir in Zukunft noch wesentlich öfter lesen werden. 
Dieses Buch nun behandelt das Thema mithilfe zweier Erzählstränge, einen märchenhaft angehauchten und einen realistischeren. Ob man die verklärte Erzählweise von Krieg und Co. gutheißt, mag jede*r für sich selbst beurteilen- ich mag das gerne, zumal der Mensch dazu neigt, unerträgliche Zustände für sich ertragbar zu machen- ähnliche Ansätze kennen wir beispielsweise aus 'das Leben ist schön'. Insofern finde ich es eigentlich sehr passend, dass ein Kind sich eine Flucht zu einem Märchen macht. Ich kam eigentlich recht gut hinein in diesen Roman, obgleich der Kulturkreis fremd und die Probleme für eine Westeuropäerin weit weg sind (wenn auch, seit kurzem, nicht mehr ganz so weit weg). 
Identitätsverlust, Erhalten kultureller Bräuche und das Fremdheitsgefühl sind zentrale Punkte in dieser Geschichte. Neben einer reichen Geschichte islamischen Gelehrtentums erzählt der Roman eine Geschichte der Suche nach sich selbst, danach, was Heimat bedeuten kann, wie dramatische Erlebnisse besondere Bindungen zwischen Menschen entstehen lassen und welche Verzweiflung mit dem scheinbaren oder tatsächlichen Verlust der eigenen Identität einhergeht. Dabei liegt der Fokus vor allem auch darauf, wie man Karten lesen und verstehen kann und dass es bestimmte Dinge gibt, die auf Karten gar nicht verzeichnet sein können.
Leider gab es hier und da auch ein paar Längen und der märchenhafte Strang war mir etwas zu langatmig. Stellenweise ging mir das ganze geschichtlich etwas zu sehr ins Detail- und letzten Endes war auch ein bißchen zuviel Zufall im Spiel der die Figuren ereilte. 

Meine Kritikpunkte empfand ich doch schon als recht störend, sodass ich mit einem eher durchschnittlichen Leseerlebnis zurück bleibe. 

Meine Bewertung:   💙💙💙🤍🤍


[Rezension] C.E. Bernard- Die Schneekönigin


Kaufen
18€
368 Seiten
ISBN 3764532793
Reziexemplar
Worum geht's? 


Jeder kennt ihre Geschichte: Weit im hohen Norden lebt die Schneekönigin in ihrem kalten Palast. Sie ist ein Monster, das Kinder entführt und Eiskristalle in ihre Herzen treibt. Doch ich glaube nicht daran. Im Gegenteil: Ich will, dass die Schneekönigin mein Kind rettet! Denn die Gunst des Winters und seiner eisigen Stürme gehört meinem Reich seit Generationen. Erst als am Tag der Winterwende ein geheimnisvoller Luchs auftauchte, sandte die Schneekönigin mir ihren Zorn. Doch ich werde ihre drei Prüfungen bestehen und meinen Sohn retten. Sogar, wenn ich dabei selbst zu Eis erstarren werde ...

Meine Meinung: 

Ich kannte C.E. Bernard von ihrer Palace Saga, bei der ich damals eine der Leserinnen der ersten Stunde war. Damals machte ich die Erfahrung dass die Idee einfach großartig war, das ganze aber leider ab dem zweiten Band in eine seichte Liebesschmonzette mit typischem Hin und Her abdriftete. Deshalb war ich bei der Schneekönigin auf der Hut. Aber bezüglich der Romantik hätte ich mir keine Sorgen machen müssen- die Protagonistin Greta ist seit langem verheiratet und die Beziehung steht nicht im Vordergrund. Generell ist das Setting nicht historisch genau, es ist politisch korrekt (weibliche Burgherrin, Holzfällerinnen, systemische Entscheidungen in der Gemeinschaft). Die Autorin löst das so, dass es sich um eine Insel im Fjord handelt die ausser im tiefen Winter vom Festland und somit dem normalen 19. Jahrhundert abgeschnitten ist. Somit hat sich ein eigenes Habitat gebildet, in dem andere gesellschaftliche Regeln gelten. Da es sich um ein Märchen handelt das gar keinen Anspruch auf historische Genauigkeit erhebt, konnte und kann ich damit leben und finde es gut gelöst. Hier zeigt sich die erste Gesellschaftskritik, die ziemlich organisch in die Geschichte eingewebt ist (Frauen auf dem Festland dürfen nicht arbeiten, sind nicht gleichberechtigt etc.). Aus diesen Gründen möchte die Burgherrin Greta vermeiden, aufs Festland zu ziehen, als es auf der Insel Schwierigkeiten gibt. Generell ist 'die Schneekönigin' sehr gelungen. Ich finde man kommt gut an die Charaktere heran- gleichwohl handelt es sich natürlich um eine klassische Heldenreise, ein klassisches Abenteuer- aber es ist definitiv ein Abenteuer für Erwachsene, denn es ist schonungslos, mystisch, düster und stellenweise auch grausam. Was mir sehr gut gefallen hat war, dass die Autorin auf das klassisch kitschige Ende verzichtet und eine Welt zeichnet, in der es kein wirkliches Happy End geben kann. Ein Twist am Ende des Märchens hat mich schon ziemlich überrascht- und auch die Probleme der Gegenwart (Klima) wird gekonnt in die Geschichte eingewebt. Als eingefleischte Feministin hat mich gefreut, dass es fast nur weibliche Hauptfiguren gibt. Für mich ein sehr lesenswertes Buch mit einer Sache die mir nicht gefallen hat- die ich aber nicht spoilern will. Somit gibt es von mir 4 gute Herzchen. 


Meine Bewertung: 💙💙💙💙🤍

[Rezension] Mary Beth Keane- Mit dir bis ans andere Ende der Welt


Eisele Verlag
464 Seiten
24€
ISBN: 978-3-96161-142-3
*Rezensionsexemplar*

Worum geht's? 

Irland in den 1960er Jahren: Nie hätte Greta gedacht, dass sie ihr Heimatdorf an der irischen Küste jemals verlassen wird – bis sie nach einem tragischen Unfall mit ihrer Schwester nach New York reist, wo die Beziehung der beiden auf eine harte Probe gestellt wird. Mit dir bis ans andere Ende der Welt erzählt von der Liebe in ihren verschiedenen Erscheinungsformen: Von der unerwarteten ersten Liebe zu einem anderen Menschen, von der Liebe einer Mutter zu ihren Kindern, von der Liebe zu einem Ort, an dem man sich ein Leben aufgebaut hat – und von der Angst, dieses Leben wieder zu verlieren. (Quelle: Verlag) 


Meine Meinung
:

Ich könnte das Ganze jetzt abkürzen indem ich sage: Ich liebs einfach. Aber dieses Buch hat auf jeden Fall eine differenziertere Betrachtung verdient. Der Eisele Verlag steht für mich bisher immer für Qualität und ich muss sagen, auch dieses Mal wurde ich nicht enttäuscht- ich könnte tatsächlich blind zugreifen, wenn das Buch von diesem Verlag kommt. 
Nun aber zum Buch selbst. Familiengeschichten kennt man in dem Genre ja wirklich zu Genüge. Viele sind auch wirklich ausgelutscht, es ist eben nichts neues mehr sondern immer wieder gleiches in hübschem Gewand. Auch hier haben wir eine Familiengeschichte, aber es fühlt sich tatsächlich frisch und neu an. Zwei Schwestern, vom Wesen her sehr unterschiedlich, gehen unterschiedliche Wege durchs Leben. Er ist zwar eine Nebenfigur, aber eine sehr wichtige- Michael Ward, der Tinker. Wir erfahren in diesem Roman einiges über deren Kultur, was mir ganz besonders gefallen hat. Ganz besonders spannend ist da natürlich der Gegensatz zwischen der fahrenden Gemeinschaft die nie lange irgendwo bleibt und den Sesshaften, zu denen Greta und ihre Familie zählen und die ihren Landstrich seit Generationen bewohnen. Diese Spannung zwischen den Figuren bietet eine ganze Menge Potential, das hier tatsächlich auch ausgeschöpft wird. Die Autorin geht liebevoll in die Tiefe, aber nie so sehr, dass es langweilig würde. Sie erzählt schwierige oder auch traurige Zusammenhänge mit einer gewissen mühelosen Leichtigkeit, die mir sehr gefallen hat. Die Unaufgeregtheit beizubehalten und trotzdem tiefe Emotionen zu transportieren ist eine Kunst, die hier wahrlich gelingt. Sprachlich ist dieser Roman auf jeden Fall ein Genuss, ist dabei aber leicht und süffig zu lesen. Ich merkte gar nicht, dass ich plötzlich schon die Hälfte durch hatte- ein echter Pageturner, ein Buch, das einen fesselt. Die Figuren wuchsen mir allesamt schnell ans Herz, ich interessierte mich für ihr Schicksal und ihre Träume, Wünsche und Nöte. Und auch jetzt, nachdem ich das Buch beendet habe, lässt mich die Familiengeschichte noch nicht so ganz wieder aus ihren Fängen. Sie eignet sich sowohl für den sommerlichen Liegestuhl wie auch als Lektüre an einem verregneten Wochenende. Ich empfehle den Roman vorbehaltlos weiter. 

Meine Bewertung: 💙💙💙💙💙




[Rezension] Fernando Aramburu- Die Mauersegler


Rowohlt Verlag
832 Seiten
28€
ISBN: 978-3-498-00303-6
*Reziexemplar*

 Worum geht's? 

Der spanische Bestsellerautor Fernando Aramburu legt einen großen humanistischen Roman über einen Mann namens Toni vor. Toni ist ein Antiheld, der das Leben nicht liebt. Nur seinen Hund. Er fasst einen Entschluss: Er will allem ein Ende setzen. In genau 365 Tagen. Am 31. Juli beginnt das letzte Jahr, und dieser Roman hat 365 Kapitel, eins für jeden Tag. Die ersten Monate sind für Toni geprägt von Erinnerungen an seine Familie in der wechselhaften spanischen Geschichte, Beobachtungen seiner Landsleute und Erlebnissen, die ihn in seiner Weltsicht bestärken. Doch dann kommt es zu einer unerwarteten Begegnung mit einer Frau, deren Hund auch Toni heißt. Ein Zeichen! Und mit einem Mal gerät Tonis Plan ins Wanken.

Voller Herzenswärme, traurig, lustig, zutiefst berührend: ein meisterhaftes Werk. Die Chronik eines Countdowns, die auf fantastische Weise von der Hoffnung auf ein glückliches Leben erzählt. Für die spanische Kritik ist es schon jetzt ein Klassiker des 21. Jahrhunderts. (Quelle: Verlag)


Meine Meinung: 

Vorweg muss ich sagen: Ich habe den vorhergehenden Roman des Autors, 'Patria', gelesen. Ich kannte also schon den Schreibstil und Arumburus Art, an ein Thema heranzugehen. Wobei ich sagen muss, dass sich schon auf den ersten Blick der Schreibstil der Erzählung deutlich unterscheidet- ich möchte sagen, auf jeden Fall zum Positiven. Während ich in 'Patria' oft das Gefühl hatte den Faden zu verlieren und der Story nicht richtig folgen zu können war das bei den 'Mauerseglern' überhaupt kein Problem: Mehr noch, der doch ziemlich ausufernde Roman ist in griffige kurze Kapitel unterteilt, die vor dem Hintergrund der Geschichte auf jeden Fall Sinn machen und das Lesen und verfolgen extrem vereinfachen. Der Protagonist, Toni, erschien mir zu Anfang starkt betrübt, melancholisch und verbittert und auch ziemlich fatalistisch- bis auf seinen besten Freund und seine Hündin lässt er niemanden mehr in sein Herz, was mir zu Anfang natürlich etwas befremdlich vorkam (ich bin eher so der Typ Hippie- offen- für-alles), aber im weiteren Verlauf der Erzählung gar nicht so abwegig ist- so ist seine Exfrau Amalia in meinen Augen eine egoistische Medusa, die selbstsüchtige Ziele verfolgt und nicht einmal davor zurückschreckt, den Hund auszusetzen um ihn loszuwerden. 
Generell ist dem Autor hier ein eindrückliches Bild in Romanform gelungen das zeigt was passiert wenn Menschen schweigen und nicht offen miteinander kommunizieren, was passiert wenn sich Abneigung und letzten Endes Hass über Jahre aufbaut und sich schließlich Bahn bricht. 
Im Großen und Ganzen zuerst also ein recht deprimierendes Buch. Versteh mich nicht falsch, das kann ebenso interessant sein und mir kommt es ja bei Romanen am meisten auf die Charakterentwicklung an- und dafür ist der Roman perfekt. Anspruchsvoll und tiefgehend, manchmal derb und lebensnah. Doch, ich mochte es sehr und es hat mir Spaß beim Lesen gemacht, ganz besonders, als Toni wieder Hoffnung schöpfte. 
Mein größter Kritikpunkt ist tatsächlich ziemlich offenkundig, gleich zu Anfang: Die Länge. Ja, ich weiß, manchmal lässt sich die Aussage eines Romans nicht in die üblichen 350 Seiten quetschen. Voll okay. Aber müssen es wirklich immer solche Ziegelsteine sein, die auch taugen würden, einen Einbrecher zu erschlagen? Ich finde: Nein. Ganz selten braucht ein Roman wirklich die Länge von 800 Seiten. 500- 600 Seiten hätten für die 'Mauersegler' in jedem Fall ausgereicht und hätten verhindert, dass das Buch stellenweise aufgeblasen und in die Länge gezogen wird. Unterm Strich kostet das in meiner Bewertung aber nur ein Herzchen, da der Rest einfach sehr überzeugend war. 

Meine Bewertung:  💙💙💙💙🤍


[Rezension] Sue Monk Kidd- Das Buch Ana


btb Verlag
576 Seiten
12€
978-3-442-77144-8

Worum geht's?

Im Jahr 16 nach Christus, im von den Römern besetzten Galiläa: Ana wächst in einer wohlhabenden jüdischen Familie auf. Sie ist ein kluges Mädchen mit rebellischem Geist und messerscharfem Verstand. Sie lernt Lesen und beginnt, heimlich Geschichten zu schreiben. Als sie vierzehn ist, soll sie an einen alten Witwer verheiratet werden. Auf dem Markt wird sie ihm vorgeführt und ist entsetzt. Ein junger Mann mit dunklen Locken und sanften Augen erkennt ihre Verzweiflung und hilft Ana. Ihre Begegnung wird alles verändern.


Wie keine andere Autorin versteht es Sue Monk Kidd, Frauen eine Stimme zu geben, die sich dem Rollenverständnis ihrer Zeit widersetzen. »Das Buch Ana« ist eine spannende Geschichte weiblicher Selbstfindung in einer Zeit, in der Frauen Lernen und Schreiben verboten war. Ana folgt ihrer Sehnsucht, sie kämpft für ihre Freiheit, und sie schreibt die Geschichte, die wir alle zu kennen glauben, neu. (Quelle: Verlag)


Meine Meinung: 

Das gewählte Thema ist schon mutig, dachte ich beim erstmaligen Lesen. Die Jugend- und frühen Erwachsenenjahre von Jesus, in dessen Leben es in diesem Roman eine Ehefrau, Ana, gibt. Ich mag es, wenn Autor*innen historische Gegebenheiten neu und künstlerisch interpretieren- und ich kenne auch Sue Monk Kidd, die mit ihren Werken 'Die Bienenhüterin' und 'Die Erfindung der Flügel' nachhaltigen Eindruck in meinem Lesegedächtnis hinterlassen hat. Schon bei ihren vergangenen Werken zeigte sich, dass sie keine Angst hat Frauen eine Stimme zu geben und auch prekäre Themen zu bearbeiten (zum Beispiel traute sie sich, als weiße Autorin aus der Sicht eines schwarzen Sklavenmädchens zu schreiben). Ich mag mutige Frauen, und auch hier wird wieder ein Thema bearbeitet das bei manchen Leser*innen einen Aufschrei verursachen kann. Ich muss sagen, ich war restlos begeistert. Die sprachliche Virtuosität, die bunt gemalten Bilder in den Sätzen und die brilliant ausgearbeiteten Charaktere haben mich nachhaltig beeindruckt. Sue monk Kidd ist für mich der Garant für fesselnde Geschichten, die aber nie übertrieben oder gar schmalzig oder kitschig werden. Dafür sind sie immer berührend und bleiben ganz lange im Gedächtnis. Ganz großes Kino- die Protagonistin Ana ist ein Mädchen und später Frau, die mir sehr nahe war. Ich verstand ihre Nöte, ihre Ängste und weinte und lachte mit ihr, als sie durch ihr Leben ging. Als ich das Buch zuschlug und sie verlassen musste war es wie Abschied nehmen von einer Freundin. Wer dieses Buch nicht liest, ist selber schuld. 

Meine Bewertung: 💙💙💙💙💙


[Rezension] Susanne Benda- Dein Schweigen, Vater

 

Urachhaus Verlag
240 Seiten
22€
ISBN 978-3-8251-5331-1
*Rezensionsexemplar*
Worum geht's? 

Was ist es, das die Geschwister Maria und Uli so umtreibt? Woher stammen ihre Blockaden, wenn es um wichtige Lebensentscheidungen geht? Haben sie etwas mit dem Schweigen ihres Vaters zu tun, der mit 12 Jahren aus seinem glücklichen Leben in Brünn gerissen wurde? Und dem es nie möglich war, über seine Erlebnisse aus dem Mai 1945 zu sprechen, als seine Familie gemeinsam mit 27.000 weiteren deutschstämmigen Bewohnern aus der Stadt vertrieben wurde? Immer deutlicher erkennen Maria und Uli, dass die traumatischen Zustände ihres Vaters in ihnen fortleben, auch sie sind Vertriebene. Und ihnen wird klar, dass sie ihre eigenen Wege gehen müssen, um das Schweigen zu durchbrechen.
Als sie sich zu einer Reise entschließen, wird schnell deutlich: Es wird eine Reise zu den Wurzeln ihrer Familie … (Quelle: Verlag)
Meine Meinung: 

Uff. Die Autorin, Susanne Benda, verarbeitet in diesem Roman ihre eigene Familiengeschichte- und ich finde auch, das merkt man. Das Ganze fühlt sich sehr persönlich an, sehr nahe. Die Autorin liebt ihre Figuren und möchte dass wir ihre Gefühle selbst nachvollziehen können. Sie will dass wir ihre Angst, ihre Wut, ihre ihre Frustration und ihre Trauer spüren und ich muss sagen, das gelingt vortrefflich. Das Thema der Kriegsenkelgeneration wird hier emotional und erschütternd aufgearbeitet. Mir war stellenweise richtig schlecht, und ich bin nicht zart besaitet. Der titelgebende Vater, das ist Paul. Paul wurde mit seiner Familie 1945 im Rahmen des Brünner Todesmarsches aus seiner Heimat vertrieben. Der Roman spielt auf verschiedenen Zeitebenen- wir begleiten zum Einen Paul auf dem Marsch, stehen an seiner Seite während er die größten vorstellbaren Traumata erleiden muss und können ihm doch nicht helfen. Und zum Anderen bekommen wir einen Einblick in sein späteres Leben, seine Familie- und erkennen im Laufe der Zeit wie sehr seine Traumata doch ihr gemeinsames Leben beeinflussen. 
Es gab nicht nur eine Stelle, an der ich Gänsehaut hatte. Sicher, es ist absolut schwere Kost und keine typische Strand- oder Liegestuhllektüre, auf keinen Fall. Aber es ist ein wichtiges Kapitel der Geschichte der Deutschen und des Krieges, das meiner Meinung nach zu häufig unter den Tisch fällt. Ein düsteres Kapitel, das uns heute einen Schauer den Rücken hinunter jagt. Es ist nach wie vor wichtig, sich damit zu beschäftigen, damit die Opfer dieser Zeit nicht vergessen werden. 
Ich tue mich immer schwer bei Romanen aus dieser Ecke über 'gefällt mir' oder 'gefällt mir nicht' zu sprechen. Es ist eine persönliche Geschichte, die ich nicht bewerten will oder kann. Deswegen gibt es an dieser Stelle auch keine Herzchen- Bewertung. 
Ich kann aber sagen, dass mich der Roman nachhaltig erschüttert hat und bei mir seine Wirkung nicht verfehlt. Die Erzählweise im Präsens macht das Erlebnis der Geschichte obendrauf noch unmittelbarer. Wer sich nicht vor harter Kost scheut findet hier einen Roman, der lange nachhallt. 



[Rezension] Damon Galgut- Das Versprechen

 


Luchterhand Literaturverlag
368 Seiten
24€
ISBN: 978-3-630-87707-5
*Rezensionsexemplar*

Worum geht's? 

Das Versprechen« erzählt vom zunehmenden Zerfall einer weißen südafrikanischen Familie, die auf einer Farm außerhalb Pretorias lebt. Die Swarts versammeln sich zur Beerdigung ihrer Mutter Rachel, die mit vierzig an Krebs stirbt. Die jüngere Generation, Anton und Amor, verabscheuen alles, wofür die Familie steht - nicht zuletzt das gescheiterte Versprechen an die schwarze Frau, die ihr ganzes Leben für sie gearbeitet hat. Nach jahrelangem Dienst wurde Salome ein eigenes Haus, eigenes Land versprochen ... doch irgendwie bleibt dieses Versprechen mit jedem Jahrzehnt, das vergeht, unerfüllt. (Quelle: Verlag)

Meine Meinung: 

Ich war von dem Thema, als ich davon las, ziemlich angetan. Grundsätzlich lese ich gerne Romane über Apartheid und Co. Ich erwartete eine interessante Geschichte mit tiefgründigen, spannend ausgestalteten Charakteren. Leider hatte ich schon am Anfang ein großes Problem- den Schreibstil. Das ganze Buch kommt ohne wörtliche Rede aus. Es fällt teilweise wahnsinnig schwer, den Gesprächen zu folgen und Dialoge von Fließtext zu unterscheiden. Damit kam ich nicht zurecht, es gibt aber Autor*innen, denen man trotzdem folgen kann. Leider kommt noch hinzu, dass der Autor zu großen Sprüngen neigt- teilweise wechselt innerhalb eines Satzes die Perspektive oder das komplette Thema, sodass es wahnsinnig anstrengend wird, dem roten Faden zu folgen. 
Die Handlung selbst bleibt merkwürdig oberflächlich, bleibt blass. Und die Charaktere, auf die ich mich gefreut hatte bleiben mir völlig fremd. Sie spielen irgendwie keine richtige Rolle- dass der Autor zusätzlich nur allzugern in Fäkalsprache abdriftet und der ganze Inhalt irgendwie sexualisiert wirkt kam als Sahnehäubchen oben drauf. Leider, leider war dieser Roman überhaupt gar nicht mein Fall. Weder Geschichte noch Stil haben mich überzeugt. 

Meine Bewertung: 💙 💙 🤍 🤍 🤍

[Rezension] Catherine Cusset- Die Definition von Glück

 

Eisele Verlag
384 Seiten
24€
ISBN: 978-3-96161-140-9
(Rezensionsexemplar)

Worum geht's? 

Zwei Frauen, die scheinbar vieles trennt.Clarisse ist eine Abenteurerin, liebt das Reisen und die Männer. Ständig verliebt, erlebt sie hohe Höhen und fällt in tiefe Tiefen. Ève hingegen leitet erfolgreich einen Edel-Catering-Service und führt mit ihrem Mann eine stabile Ehe. Die eine wohnt in Paris, die andere in New York. Über Jahrzehnte hinweg bekommen wir die Lebensgeschichten der beiden Frauen erzählt, erfahren von dem geheimen Band, das sie eint, und werfen einen erhellenden Blick auf unsere Zeit, eine ganze Generation von Frauen, ihre Sehnsüchte, Lieben, Abgründe, das Muttersein und das Älterwerden. Und begreifen, wie viele Möglichkeiten es gibt, das Glück zu definieren. (Quelle: Verlag)

Meine Meinung: 

Was ist eigentlich Glück? Was macht glücklich und welcher Lebensweg ist der Richtige? Was lässt man auf dem Weg besser zurück, was trägt mich durch all die Jahre, die vor mir liegen? Und wie unterscheiden sich diese Fragen von Generation zu Generation? 
Clarisse und Éve, die beiden Protagonistinnen dieses Romans, könnten unterschiedlicher nicht sein. Sie leben in zwei komplett unterschiedlichen Welten- nicht nur geographisch gesehen. Wer von uns hat sich noch nie die Frage gestellt, welches Leben man jetzt führen würde wenn man sich an bestimmten Scheidewegen im Leben anders entschieden hätte? Wäre man dann heute glücklicher? Dieser Roman zeigt zwei komplett unterschiedliche Leben innerhalb einer Frauengeneration. Und Ereignisse, die schwerwiegenden Einfluss auf die Persönlichkeit und den Lebensweg haben können. Ich erlebte zwei unglaublich interessante Protagonistinnen: Clarisse, die abenteuerlustige Frau die sich am liebsten treiben lässt und immer wieder eine Antwort auf die Widrigkeiten des Lebens findet, mit denen sie immer wieder konfrontiert wird- und Éve, eine selbstbewusste Geschäftsfrau die sich nichts sagen lässt und keine Zweifel an ihrem Selbstwert hat. Zwei Persönlichkeiten, zwei Leben, die sich eigentlich nie begegnen würden, die getrennt voneinander in ihren jeweiligen Blasen und doch zusammen in einer Generation und in der Nachbarschaft existieren können. Das Buch formte die Frage in meinem Kopf, wie gut wir die Menschen, mit denen wir Umgang haben, überhaupt kennen- und wie schnell wir vielleicht auch über die urteilen obwohl wir meist gar nicht wissen, was sie zu dem gemacht hat was sie sind. Ich fühlte mich verbunden mit diesen beiden Frauen und liebe das Gedankenspiel 'was wäre wenn'. Wir sind sehr schnell mit einem Urteil bei der Hand- Clarisse zum Beispiel wollte ich des Öfteren schütteln (oder wahlweise meinen Kopf), weil mir ihre Art, mit sich selbst umzugehen, so fremd war und zuwider lief. Und dennoch gibt es viele Frauen wie sie, die gehört werden müssen und sollten. Denen Steine in den Weg gelegt werden und sie ihr halbes Leben damit zubringen, darüber zu steigen- während andere Frauen ein lineares Leben ohne großartige Katastrophen führen und, wie es scheint, sich Zeit ihres Lebens auf der Sonnenseite befinden. 
Ein Roman, der mich sehr zum Nachdenken gebracht hat. Schreibstil, bildhafte Sprache und die Ausgestaltung der Charaktere war ein wahrer Genuss. Es gab keine Längen und keine Passagen in denen ich gelangweilt war. Beeindruckt war ich besonders von der Tiefe der Charaktere, egal ob es sich um Haupt- oder Nebencharaktere handelte: Keine Figur, die in dem Buch vorkommt agiert wie ein Abziehbild oder ist einfach so zu ersetzen. Das ist etwas, das mir selten begegnet, was mir aber ganz besonders wichtig ist. Nun, am Ende des Romans angekommen kommen in mir viele Fragen auf, was die Frauen in meiner realen Umgebung angeht. Wieviel von ihrem Leben weiß ich wirklich? Wie gut kenne ich im Grunde meine eigene Mutter? Ein Roman, der im Gedächtnis bleibt und meiner Ansicht nach nicht weniger als fünf Herzen verdient hat. 

Meine Bewertung:

💙💙💙💙💙


Geheimtipp des Monats- Juli 2022

istock/Ponomariova_Maria

 


In dieser Kategorie tauche ich nach Perlen und bewege mich bewusst abseits der Bestsellerlisten. Heute habe ich dir ein Leckerli mitgebracht an dem du große Freude haben wirst, wenn dich 

1. Archäologie und 

2. Zeitreisen

interessieren. Die Rede ist von Bernhard Kegels 'Das Ölschieferskelett' .


Fischer Taschenbuch Verlag
448 Seiten
12€

Ich bin generell ja immer auf der Jagd nach Zeitreiseromanen. Es gibt wenig Themen die mich so anspringen wie dieses. Ich liebe es so sehr, in vergangene Zeiten abzutauchen und mich hinweg zu träumen. Je detaillierter und bunter diese Welt gestaltet ist, desto besser. Nun habe ich aber des Öfteren die immer gleichen Kritikpunkte bei Zeitreiseromanen- erstens finde ich, die Welten (egal ob Vergangenheit oder Zukunft) sind selten wirklich glaubhaft gestaltet. Sie wirken oberflächlich und lieblos, und oft könnte das, was dort spielt, genauso in der Gegenwart spielen- würde es nicht erwähnt würde man gar nicht merken dass wir uns in einer anderen Zeit befinden. 
Und zweitens: Die Liebe. Ja, die Liebe. Es ist kaum einmal ein Zeitreiseroman zu finden indem es nicht vordergründig darum geht dass Mr. Right gefunden wird (interessanterweise wird sogut wie nie eine Mrs. Right gesucht). Letzten Endes bietet die Zeitreise dann nur den (brüchigen) Rahmen für die Romanze, meist Schmonzette. Dieses Problem, oder sagen wir, dieser Umstand, hat mir schon so einige Romane vermasselt, die gut anfingen. Wird es mir zu dominant kann es durchaus sein, dass ich das Buch abbreche. Deswegen ist das Ölschieferskelett so ein Kuriosum. Es unterscheidet sich in gleich mehrfacher Hinsicht von anderen Zeitreiseromanen. Aber ich fange von vorne an. 
Der Roman spielt in Deutschland, genauer um die Grube Messel bei Darmstadt in Hessen.
 

Worum geht's? 

Der Paläontologe Dr. Helmut Axt, genannt Hackebeil, sucht im Ölschiefer der Grube Messel nach Fossilien. Doch das, was die weltbekannte Fundstätte bei Darmstadt diesmal preisgibt, lässt sein wissenschaftliches Weltbild einstürzen: Es sind die versteinerten Überreste eines Menschen mit Armbanduhr. Durch welches Zeitloch ist der Tote aus unserer Welt in den 50 Millionen Jahre alten Ölschiefer geraten? Axt tritt eine Reise an, die ihn viele Millionen Jahre zurück ins Eozän führt – in ein Erdzeitalter, in dem Menschen eigentlich nicht vorkommen dürften. Und doch ist er dort nicht allein. (Quelle: Verlag)

Ungewöhnliche Epoche... 

Die meisten Zeitreiseromane verorten sich im finsteren Mittelalter oder zur Jahrhundertwende. Dort lässt sich eben am besten 'der gutaussehende Gentleman' oder 'den tapferen Ritter' finden, die Epoche wird also oft deswegen so gewählt weil es am besten zur Liebesgeschichte passt, bzw. dort gewisse Archetypen bedient werden können. 'Das Ölschieferskelett' lässt uns in eine ganz andere Zeit springen- ins Eozän. Das Eozän fand vor 56- 33 Millionen Jahren statt, es befindet sich also jenseits allen Vorstellbaren. Das bedeutet, der Autor kann sich hier richtig schön ausleben- und das tut er. Es ist ein Wissenschaftsroman, das merkt man. Begriffe der Archäologie spielen eine große Rolle und auch der Alltag der Wissenschaftler. Das Erzähltempo ist eher gemütlich und hetzt nicht durch die Gegend. Das Buch lebt von der Beschreibung der Landschaften, vom Eintauchen in die Fremde. Es ist herrlich unaufgeregt und dennoch spannend, man entwickelt Freude an Ausgrabungen, selbst wenn es mal um etwas anderes geht als Dinosaurier. Ich habe beim Lesen viel Spaß gehabt- ein Buch, das auf jeden Fall eine Chance verdient. Ich würde sagen, es wendet sich an Leser*innen, die auch Schätzings 'Schwarm' mochten.


[Rezension] Jeffrey Archer- Triumph und Fall

kaufen bei Buch7
Heyne Verlag
891 Seiten
ISBN- 978-3453471511




Klappentext


Im Londoner East End verkauft der junge Charlie Trumper Obst und Gemüse auf der Straße. In sehr ärmlichen Verhältnissen lebend, träumt er davon, einmal das größte Kaufhaus der Welt zu besitzen. Aber die Zeiten sind hart, und der Erste Weltkrieg reißt Charlie zunächst aus seinen Träumen. Doch auch die schlimmsten Feinde und Widerstände, selbst eine große tragische Liebe können ihn nicht aufhalten ... In seinem großen Epos schildert Jeffrey Archer den Weg seines Helden über mehrere Jahrzehnte, aus den finsteren Gassen Whitechapels in die Welt der Reichen und Mächtigen - und seinen Kampf, sich hier zu behaupten und gleichzeitig aufrecht zu bleiben.

Das Buch erschien in Deutschland bereits unter dem Titel »Der Aufstieg«.

Autoreninformationen


Jeffrey Archer, geboren 1940 in London, verbrachte seine Kindheit in Weston-super-Mare und studierte in Oxford. Archer schlug zunächst eine bewegte Politiker-Karriere ein. Weltberühmt wurde er als Schriftsteller, »Kain und Abel« war sein Durchbruch. In Deutschland erscheinen seine großen Werke im Heyne Verlag. Mittlerweile zählt Jeffrey Archer zu den erfolgreichsten Autoren Englands, sein historisches Familienepos »Die Clifton-Saga« begeistert eine stetig wachsende Leserschar. Archer ist verheiratet, hat zwei Söhne und lebt in London, Cambridge und auf Mallorca.

Meine Meinung

Vorneweg- dies war mein erster Archer, ich hatte die bekannte Clifton Saga vorher also nicht gelesen und der Autor war gänzlich neu für mich, sodass ich keine Vergleichsmöglichkeiten mit früheren Werken hatte.
Die Story des Romans ist schnell erzählt und der Klappentext leistet da schon gute Dienste: Armer Junge aus entsprechender Wohngegend hat große Pläne und will sich hocharbeiten- sozusagen vom Tellerwäscher zum Millionär, eine klassische Geschichte also. Gewürzt sein sollte das ganze dann noch mit Liebe und Drama- soweit so gut. Ich erwartete also (auch aufgrund des Hypes um den Autor) einen netten Schmöker mit historischem Hintergrund. An sich eine angenehme Kombination, die man so ja auch schon kennt.
Und eben das ist es auch- man kennt es bereits. Zu keinem Zeitpunkt konnte mich der Roman in irgendeiner Weise überraschen. Der Sprach- und Erzählstil bleibt absolut einfach, ohne Raffinesse oder gar Bilder im Kopf, die Sätze sind kurz und schmucklos. Nun gut, das kann man soweit ja alles tolerieren- ein Schmöker für den Liegestuhl muss keinen literarischen Anspruch haben. Aber das Buch hatte aus meiner Sicht einige eklatante Schwächen- zum Einen bleiben die Charaktere totenblass und archetypisch. Zu keiner Zeit fiebert man mit, das Schicksal der Figuren interessiert einen kaum. Doch zum Glück geht es den Figuren selbst ebenso- verlieren sie beispielsweise ein Kind, ist das Ganze nach zwei Seiten wieder vergessen und wird nie wieder erwähnt. Null Tiefe, null Emotion. Das Ganze las sich wie eine wissenschaftliche Abhandlung, und wenn Emotionen, dann waren sie nicht glaubhaft und kamen aus heiterem Himmel, ohne dass der Leser sich darauf einen Reim hätte machen können (so die typische unsterbliche Liebe auf den ersten Blick). Es gab noch diverse Beispiele dafür, da müsste ich aber zu sehr auf den Inhalt eingehen. 
Zudem baut sich einfach überhaupt keine Spannung auf, weil den Figuren alles in den Schoß fällt- ein armer Schlucker will einen ganzen Häuserblock kaufen- kein Thema, es finden sich immer nette Menschen die ein gutes Wort einlegen oder Geld beschaffen können. Niemals hört er, dass er mal etwas vernünftig sein sollte, im Gegenteil- für ihn wächst das Geld auf Bäumen. Zuviel Deus ex Machina für mich.
Alles also leider sehr unglaubwürdig. Schicksalsschläge nehmen die Figuren einfach so hin- spätestens im nächsten Kapitel spielen sie keine Rolle mehr. Wie ich nach dem Lesen erfuhr, hat die Handlung auch sehr viele Parallelen zur Clifton Saga, selbst 'überraschende Wendungen' sind dieselben. Ich muss also leider sagen, mein Geschmack war es gar nicht, dieses Buch. Für mich hatte es den Charme eines Groschenromans- oder eines zweimal aufgewärmten Mikrowellengerichts. Diesmal also leider keine Empfehlung. 


[Rezension] Mary Linn Bracht- Und über mir das Meer

Limes Verlag
384 Seiten
ISBN- 978-3809026815





Klappentext


»Ein tief berührender Stoff über die Grausamkeit des Krieges und die Beharrlichkeit der Liebe.« The Bookseller

Korea, 1943. Hanas Mutter hat sie immer gewarnt: Pass auf deine Schwester auf, und komm den japanischen Soldaten nicht zu nahe. Wie ihre Mutter ist Hana eine Haenyeo, eine der Taucherinnen, die in den Tiefen der See nach den Schätzen des Meeres sucht. Doch dann passiert es doch, während Hana im Wasser ist. Ihre Schwester Emi ist in Gefahr entdeckt zu werden, und Hana kann sie nur retten, indem sie sich selbst opfert. Sie wird von japanischen Soldaten entführt und in ein Bordell des Militärs gebracht. Aber sie wäre nicht eine Haenyeo, wenn sie sich ihrem Schicksal fügen würde.
Südkorea, 2011. Emi hat die letzten sechzig Jahre versucht zu vergessen, welch großes Opfer ihre Schwester für sie gebracht hat. Doch erst als sie sich ihrer Vergangenheit stellt, kann sie beginnen, ihren Frieden zu finden und vielleicht auch zu verzeihen ...

Autoreninformationen


Mary Lynn Bracht studierte Creative Writing an der Universität von London. Als amerikanische Autorin mit koreanischen Wurzeln lebt sie in London. Sie wuchs in einer großen Gemeinde voller Frauen auf, die während der Nachkriegszeit in Südkorea großgeworden waren. 2002 besuchte Mary Lynn Bracht das Dorf, in dem ihre Mutter ihre Kindheit verbrachte.Während dieser Reise erfuhr sie unglaubliche Geschichten und hörte zum ersten Mal von den »Trostfrauen«. »Und über mir das Meer« ist ihr erster Roman.
Meine Meinung
Für dieses Buch begab ich mich in einen für mich eher fremden Kulturkreis- Korea, zur Zeit der japanischen Besatzungsmacht. Zunächst lernte ich etwas über die Haenyeo, eine traditionelle Gruppe von Frauen, die stets durch die Geschichte hinweg selbstständig und unabhängig für ihren Lebensunterhalt gesorgt hat. Wikipedia gab mir eine Zusammenfassung:

https://de.wikipedia.org/wiki/Haenyo

Diese Kultur existiert noch heute, ist aber vom Aussterben bedroht. Die Idee, etwas in dieser Nische anzusiedeln fand ich schon einmal sehr gut. Nun, die Haenyo spielen eine große Rolle in diesem Roman. Jedoch ist das Hauptthema natürlich das der sogenannten 'Trostfrauen', der Zwangsprositutierten im Krieg, die von Soldaten aus ihren Familien gestohlen und verschleppt wurden.
Dementsprechend ist dieses Buch keine leichte Lektüre. Mehrmals musste ich nach Luft schnappen, denn die geschilderten Szenen und Hanas Schicksal sind ungeheuerlich. Glasklar und scharf wie ein Messer ist auch die verwendete Sprache und der Erzählstil- die Autorin nimmt kein Blatt vor den Mund und verzichtet gänzlich auf blumige Umschreibungen, die man sonst von asiatischer Literatur kennt. Die ersten paar Seiten fand ich die Erzählweise etwas emotionslos, aber später wurde mir klar dass das die einzige Möglichkeit ist, das Buch überhaupt zu ertragen. Der nüchterne Erzählstil trifft einen sogar noch extra in den Magen.
Es ist immer schwierig so ein Buch 'gut' zu nennen oder zu sagen, dass es einem gefallen hat. Den Trostfrauen wird hier eine Stimme gegeben, und das ist ungemein wichtig. Zuwenig Anteilnahme und Wiedergutmachung haben sie erfahren, mehr noch, die jeweiligen Regierungen haben sich sogar des lieben Friedens Willen geeinigt, nie wieder offiziell über diese Frauen zu sprechen. Dieser Gedanke ist sehr schmerzhaft für mich und sicher auch für jede andere Frau, die dieses Buch liest.

'Und über mir das Meer' ist ein ziemlich mutiges Debüt. Aber ich finde es gut, dass Autorin und Verlag diesen Mut gehabt haben, denn das Thema ist wichtig. Ich werde die Autorin definitiv im Auge behalten und empfehle dieses Stück wichtige Zeitgeschichte auf jeden Fall weiter. Nur nicht vergessen, auch das Nachwort der Autorin zu lesen!