[Rezension] Christine Mangan- Nacht über Tanger

Blessing Karl Verlag
368 Seiten 
ISBN- 978-3896676030





Klappentext

Tanger 1956: Alice Shipley ist ihrem Mann John von England in das von politischen Unruhen aufgeheizte Marokko gefolgt. Doch die Hitze und die fremde Kultur machen es Alice schwer; während John sich immer mehr ins Nachtleben der pulsierenden Stadt stürzt und kaum mehr zu Hause ist, verkriecht sich Alice in der gemeinsamen Wohnung, gleitet in eine Depression. Da steht eines Tages Lucy Mason vor ihrer Tür, Alice' Zimmergenossin und Freundin aus Collegezeiten in Vermont, die sie seit einem mysteriösen Unfall ein Jahr zuvor nicht mehr gesehen hat.

Die unabhängige und furchtlose Lucy entdeckt Tanger schnell für sich und versucht Alice aus ihrer Isolation zu befreien. Doch Alice beschleicht bald das ihr nur allzu vertraute Gefühl, von Lucys Fürsorge kontrolliert und erstickt zu werden. Als John plötzlich verschwindet, wird Alice von dem Unfall in Vermont eingeholt und sie fängt an, an Lucys Vertrauenswürdigkeit und ihrem eigenen Verstand zu zweifeln ...

Ein vielschichtiger, spannender, psychologisch tiefgründiger Roman, erzählt aus zwei Ich-Perspektiven, die den Leser bestricken und verstricken in eine komplexe Freundschaft, in der die Grenzen zwischen Gut und Böse, Normalität und Wahnsinn fließend sind.

Autoreninformationen


Christine Mangan, geboren 1982, hat Creative Writing studiert und am University College Dublin zur Gothic Literature promoviert. Nacht über Tanger ist ihr erster Roman, der sich in 20 Länder verkauft hat. Die Filmrechte gingen an die Produktionsfirma von George Clooney. Christine Mangan lebt in Brooklyn, New York, und schreibt an ihrem zweiten Roman.

Meine Meinung:

Es gibt Bücher, die zuerst recht unscheinbar wirken, und auch die Geschichte wirkt auf den ersten Blick wie schon einmal gelesen, wenn man die Inhaltsangabe überfliegt. Hat man das Buch dann gelesen, bestätigt sich dieser Eindruck oft. Ein Eindruck der Mittelmäßigkeit, ein Gefühl des Déja Vues. 
Ich dachte, ich lasse es mal auf mich zukommen. 
Was ich bekam war ein schillerndes Porträt der 50er Jahre mit enorm komplexen Persönlichkeiten und einer wirklich interessanten Geschichte, die ganz anders ausgeht als zunächst vermutet. Dieses Buch schafft es tatsächlich, eine authentische Atmosphäre zu erzeugen, eine Atmosphäre des Tangers im Jahre 1956. Dies ist schon einmal ein sehr interessanter Rahmen und würde sicherlich auch für sich genommen schon reichen, um einen Leser in seinen Bann zu ziehen. Damit gibt sich die Autorin jedoch nicht zufrieden- hier bildet diese interessante Stadt, die wirklich äußerst plastisch beschrieben wird, bloß den Rahmen für eine zweite Ebene- die zunächst scheinbar wundervolle, ungetrübte Freundschaft zweier faszinierender Frauen. Doch schon bald verzieht sich er Sonnenschein und es offenbart sich eine zweite Ebene im Buch, eine tiefere Geschichte voller Missverständnisse, Schmerz und Zerwürfnisse- und zum Schluss hin mündet das Ganze in einer Katastrophe, die ich absolut nicht erwartet hatte. Wie in der namensgebenden Stadt Tanger ist zunächst nichts so, wie es scheint. Die Charaktere präsentieren sich oberflächlich anders als sie es wirklich sind, egal ob Alice, Lucy oder auch John. 
Für mich war dieses Buch ein sehr rundes Erlebnis mit interessanten Perspektiven und geschliffener Sprache und Stil, das mich zum Ende hin ordentlich nach Luft schnappen ließ. Ich finde es empfehlenswert für jemanden, der gerne unter die Oberfläche blickt. Wer findet, dass es immer ein Happy End geben muss, ist hingegen schlecht bedient. Denn in diesem Roman zeigt sich: Am Ende siegt nicht immer das Gute. Wer dies akzeptieren kann, sollte dem Buch eine Chance geben. 

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